Erfolg durch Schokolade, Waff en, Hustensaft…
Jeder Erfolgsgeschichte wohnt ein Moment des Scheiterns inne. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest bei der Lektüre von Alex Capus’ ebenso lehrreichem wie unterhaltsamen Buch «Patriarchen». Es versammelt zehn Portraits legendärer Firmengründer, vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, vom Schokoladefabrikanten Rudolf Lindt über den Brühwürfel-Erfi nder Julius Maggi bis zum Waffenproduzenten Emil Bührle. Denn […]
Jeder Erfolgsgeschichte wohnt ein Moment des Scheiterns
inne. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest bei der
Lektüre von Alex Capus’ ebenso lehrreichem wie unterhaltsamen
Buch «Patriarchen». Es versammelt zehn Portraits
legendärer Firmengründer, vor allem des 19. und frühen
20. Jahrhunderts, vom Schokoladefabrikanten Rudolf Lindt
über den Brühwürfel-Erfi nder Julius Maggi bis zum Waffenproduzenten Emil Bührle. Denn wenn diese durchaus
unterschiedlichen Herren etwas gemeinsam hatten, dann
war es die Fähigkeit, mit Misserfolgen umzugehen. Schliesslich
war die Schokolade der Firma «Rodolphe Lindt fi ls»,
wie der 24jährige Süsswarenaspirant sein Unternehmen
hochtrabend getauft hatte, zunächst keineswegs jenem Produkt
vergleichbar, das seinen Namen weltberühmt werden
lassen sollte. Auch Julius Maggis Fertigsuppen auf Gemüsebasis
war – trotz der Werbelyrik des jungen Frank Wedekind
– kein grosser Verkaufserfolg beschieden. Erst als
es ihm gelang, auf chemischem Wege ein Würzmittel mit
Fleischgeschmack zu entwickeln, griff en die Konsumenten
massenhaft zu. Die «Maggi-Würze» war geboren. Eine gewisse
Hartnäckigkeit ist also notwendig, wenn man Erfolg
haben will.
Gelegentlich erweist sich jedoch auch ein grosses elterliches
Vermögen als hilfreich. Fritz Hoff manns Karriere
als Hersteller von Arzneimitteln wäre bereits nach kurzer
Zeit an ein unrühmliches Ende gelangt, hätte ihm nicht
seine Familie mehrmals fi nanziell kräftig unter die Arme
gegriff en. Doch ohne eine zündende Geschäftsidee nützt
auch das grösste Kapital nichts. Dass Hoff mann-La Roche
zum weltweit operierenden Pharmaunternehmen aufsteigen
konnte, verdankt sich vor allem einem zwar unwirksamen,
aber wohlschmeckenden Hustenpräparat. Off enbar war die
Begeisterung über einen süssen Saft, der zudem noch heilende
Kräfte besitzen sollte, so gross, dass «Sirolin-Sirup» zum
Verkaufsschlager wurde, ein Eff ekt, den Hoff mann durch
europaweite Werbung massiv verstärkte.
Doch nicht immer sind die Produkte, auf denen unternehmerischer
Erfolg gründet, wirkungs- und dabei harmlos.
Was Emil Bührle in der vormaligen Werkzeugmaschinenfabrik
Oerlikon produzierte, waren Geräte, deren einziger
Zweck darin bestand, möglichst wirksam Menschen vom
Leben zum Tode zu bringen. Keine sechs Jahre waren seit
dem Ende des 1. Weltkriegs vergangen, da begann Bührle
mit der Produktion von Kanonen und Munition. Und die
lieferte er an jeden, der sie bezahlen konnte, während des 2.
Weltkriegs allerdings vor allem an Nazideutschland. Gewissensbisse kannte der passionierte Kunstsammler nach eigener
Auskunft nicht. Schliesslich seien die Menschen schon immer
übereinander hergefallen. Das Portrait Emil Bührles ist
ein gutes Beispiel für Capus’ Erzählhaltung. Der Autor verzichtet
auf vordergründige moralische Empörung und setzt
ganz auf die Wirkung seiner Geschichte. Übrigens schliesst
sich an jeden Beitrag eine knapp gefasste Chronik des jeweiligen
Unternehmens an, die bis in die globalisierte Gegenwart
reicht. Wir lesen von Firmenkrisen grossen Ausmasses
und von gewaltigen Übernahmeschlachten. Und wünschen
uns, dass sich ein Erzähler vom Format eines Alex Capus
irgendwann auch dieser Geschichten annehmen werde.
besprochen von Joachim Feldmann, Recklinghausen
Alex Capus: «Patriarchen. Zehn Portraits». München: Albrecht Knaus, 2006.