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«Erfinder sind oft nicht die bequemsten Leute»
Ursula Keller. Bild Wikimedia.

«Erfinder sind oft nicht die
bequemsten Leute»

Die ETH-Professorin Ursula Keller hat bahnbrechende Erfindungen in der Lasertechnik gemacht. Dafür braucht es aus ihrer Sicht mehr als Intelligenz.

Ursula Keller wäre wohl nicht ETH-Professorin und Trägerin des Europäischen Erfinderpreises geworden, hätte sie nicht bei der Berufsberatung einen Intelligenztest gemacht. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, der Vater war Mechaniker, die Mutter Verkäuferin. «Meinen Eltern war wichtig, dass ich eine gute Ausbildung erhalte. Das Ziel war dabei aber immer eine Lehre.» Die Berufsberatung sollte ihr helfen, die passende Lehrstelle zu finden. Der Intelligenztest änderte diesen Plan.

«Zum Glück war es ein Test, der auf die mathematischen Fähigkeiten fokussierte, denn ich war sehr einseitig begabt.» In den sprachlichen Fächern hatte sie keine guten Noten. Für Keller ist denn auch klar, dass es unterschiedliche Formen von Intelligenz gibt. «Bei meinen eigenen Kindern war mein Ziel deshalb immer, dass sie eine Tätigkeit finden, wo sie eine Begabung haben, die ihnen Spass macht, und wo sie bereit sind, etwas zu leisten.»

Dinge hinterfragen

Keller selber ging ans Gymnasium, studierte an der ETH Physik und doktorierte danach an der Stanford University. Von dort ging sie zu Bell Laboratories, der führenden industriellen Forschungsinstitution in den USA. Sie erinnert sich noch an die Gespräche mit den Recruitern von Bell Labs. «Ich war erstaunt, dass es kaum um technische Themen ging, sondern vor allem um meine Person.» Heute versteht sie, warum: «Sie wussten, dass jemand, der in Stanford doktoriert, die nötigen fachlichen Fähigkeiten mitbringt. Um in der Forschung Erfolg zu haben, braucht es aber mehr.» Wichtig ist insbesondere Kreativität. «Leute, die etwas erfinden, hinterfragen gerne Dinge und geben sich nicht schnell mit etwas zufrieden. Oft sind es nicht die bequemsten Leute», sagt Keller lachend.

Der Druck bei Bell Labs war hoch. «Der Auftrag an mich war: ‹Do something different than the others – but it better be good›», erinnert sie sich. Dieser Druck habe sie motiviert.

Bald kam sie mit einem neuartigen Lasermaterial in Kontakt. Mit den ersten Ergebnissen gab sie sich aber nicht zufrieden. «Wir führten Experimente durch, und sie waren erfolgreich, aber es gefiel mir nicht, wie es funktionierte.» So erfand sie den nichtlinearen Halbleiterspiegel, mit dem sich sogenannte ultrakurze Laserpulse erzeugen lassen. Die Technik erlaubt sehr präzises Arbeiten, etwa im Bereich der Augenkorrektur.

«Wenn man den Prozess bis zu einer Erfindung einmal erlebt hat, wird man schnell Serienerfinderin», sagt Keller. 2018 erhielt sie für ihre Forschung zu Kurzzeitlasern den Europäischen Erfinderpreis. Zu diesem Zeitpunkt war sie längst wieder in der Schweiz, wo sie 1993 eine Physikprofessur an der ETH Zürich erhalten hatte – als erste Frau. Es habe damals viele Widerstände gegeben, sagt sie. Auch heute noch kämpften Frauen in der Akademie mit Strukturen, die ihnen Steine in den Weg legten. Dass sich Frauen generell weniger für Naturwissenschaften interessierten, glaubt sie nicht. Vielmehr würden sie dazu gedrängt, sich mit anderem zu beschäftigen.

Belächelte Unternehmerin

Neben ihrer akademischen Arbeit hat Keller zusammen mit ihrem Mann auch ein Spin-off gegründet, um ihre Forschung zu kommerzialisieren. In den USA sei die Wechselwirkung zwischen der akademischen Forschung und der Wirtschaft viel dynamischer. «In der Schweiz war das in der Physik vor 30 Jahren eher etwas verpönt. Für gewisse Kollegen war ich damals ‹die Ursi mit ihrer Bude›», erzählt sie. Zum Glück habe sich das seither etwas verbessert.

«Die Schweiz ist zwar bei Patenten grossartig. Doch in der Umsetzung von Innovationen sind wir nicht so erfolgreich wie die USA», sagt Ursula Keller. Das hat aus ihrer Sicht auch mit dem Steuersystem zu tun. «Wenn eine Risikokapitalgeberin 100 Millionen Franken in ein Start-up investiert, hat dieses Start-up aus Sicht der Steuerbehörden im Prinzip sofort 100 Millionen wert.» Die Gründer/-innen müssten sich dann einen höheren Lohn ausschütten, um die Vermögenssteuer zu bezahlen, obwohl sie das Geld lieber in die Entwicklung des Unternehmens stecken würden. «Damit schiessen wir uns ins eigene Bein.»

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