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Eine zerrissene Partei?
Hans-Jakob Boesch, fotografiert von Michael Wiederstein.

Eine zerrissene Partei?

Was die Basis der FDP will: Wir haben 18 Neumitglieder der Partei und Hans-Jakob Boesch, Präsident FDP Kanton Zürich, befragt.

«Die Mitglieder wirken an der Parteiarbeit mit», heisst es in den Statuten der FDP Schweiz. Sie sind berechtigt, «an der parteiinternen Meinungsbildung teilzunehmen und sich auf allen Ebenen in Parteiorgane wählen zu lassen.» Rund 9000 der FDP-Mitglieder dürfen alleine im Kanton Zürich mitwirken, und ihr Präsident seit 2016, der 39jährige Hans-Jakob Boesch, hat den Job gefasst, all ihre Wünsche und Nöte zu kanalisieren. Angestellt ist er mit einem 70-Prozent-Pensum als Strategic Project Manager at Asset Managers beim Versicherungsunternehmen Swiss Life. Das gebe ihm einen realen Bezug zur Welt, sagt er: «Ich habe einen Bürojob mit Vorgesetzten wie viele andere auch. Wird die Politik zum Beruf, dann setzt man zu viel Zeit dafür ein, und es kommen realitätsfremde Gesetze dabei heraus.» Bei seiner Wahl nannte der «Tages-Anzeiger» sein Amt als Zürcher FDP-Kantonalpräsident ein «Prestigeamt», was aber nichts anderes bedeutet, als dass er für seine Tätigkeit – geschätzt ein 50-Prozent-Pensum – kein Einkommen erhält. Er darf der FDP lediglich Spesen verrechnen, hinzu kommt die Entschädigung als Mitglied des Kantonsrats. «Immerhin kann man viel lernen dabei», lacht er.

Der wichtigste Teil seiner Arbeit sei es, die strategische Linie festzulegen, auszuführen und daran festzuhalten. Betrachtet er die im Alltag von ihm geleistete Parteiarbeit, dann besteht sie vor allem aus Kommunikation: mit aktiver Kommunikation gegen aussen und mit Medien, die auf ihn zukommen. Am meisten
Zeit nimmt aber die Kommunikation mit den Mitgliedern und
Mitstreitern ein. «Das ist zeitaufwendig, aber auch wichtig, denn ich muss spüren, was die Basis will.»

Was will denn die Basis der FDP? Eine Erkundigung bei Neumitgliedern verschiedener Kantonalparteien ergab die verschiedensten Antworten:

  • Die rechtsstaatlichen Institutionen stärken und die liberale Denkweise fördern (Philipp Arnold, UR)
  • Weniger Bürokratie und Bevormundung, eine offene, aber selbstbewusste Aussenpolitik und eine sichere Schweiz (Luca Lavina, BL)
  • Eine radikale Vereinfachung des Steuersystems hin zu einer Einzelbesteuerung aller mündigen Einwohner, eine sehr weitgehende Liberalisierung der Arbeitszeiten und der Ladenöffnungszeiten und eine Politik, die wieder mehr um echte, konstruktive Kompromisse ringt (Philipp Landmark, SG)
  • Mehr Frauen in der Politik und im Topmanagement der Wirtschaft, starke bilaterale Verträge, einen wettbewerbs- und innovationsfähigen Wirtschafts- und Bildungsstandort Schweiz (Monique von Graffenried-Albrecht, BE)
  • Das staatliche Handeln in Bereichen, die der private Sektor mindestens so gut erledigen könnte, zurückdrängen, wettbewerbsverzerrende Subventionen zurückbinden und Eigenverantwortung statt Etatismus durchsetzen (Christian Baer, SH)
  • Eine starke und gesunde Wirtschaft, eine solide Bildung, eine restriktive Finanzpolitik (Nadja Bolliger, TG)
  • Eine generationengerechte Reform der AHV, einen Abbau von Bürokratie, eine Sicherung der bilateralen Verträge (Thomas Heinrich, BL)

Freiheit sei nicht umsonst zu haben, hält Philipp Gemperle (TG) fest. Jede und jeder einzelne solle weitestgehend die Verantwortung für ihr Leben übernehmen, der Staat erst dann zum Zug kommen, wenn es wirklich nicht mehr anders gehe. Er ist aus Überzeugung in die Partei eingetreten: «Manchmal greife ich mir an den Kopf, für welche Nichtprobleme Gesetze erfunden werden. Der Kampf der FDP gegen unsinnige Vorschriften ist nötig.»

Abschied vom Goldküsten-Image

An der Delegiertenversammlung in Pratteln Ende September werden kurze Videos von namenlosen Schweizern und Schweizerinnen gezeigt, die man aber bisher nicht unbedingt mit der FDP in Verbindung gebracht hat. Ein Bauer, der über Umweltschutz spricht. Eine Hochschulabsolventin, die sich fragt, ob sie sich zwischen Familie und Karriere entscheiden muss. Ein Kleinunternehmer aus Lugano, ein Secondo, der die Abendschule gemacht hat, eine Anwältin, die für die Armee plädiert. Ganz offenbar sollen solche Typen zu neuen FDP-Wählern werden, das FDP-Image des reichen Bankers von der Goldküste will man endlich loswerden. Nüchtern festzustellen ist, dass das verabschiedete Wahlprogramm 2019 klar auf Sozialdemokraten und Grüne abzielt. «Vielfältige Gesellschaft mit gemeinsamen Werten» und «Gelebte Solidarität, die niemanden zurücklässt», heissen die beiden Topziele der FDP für die kommenden Wahlen, Punkt 4 ergänzt: «Nachhaltige und effiziente Nutzung des Raumes und der natürlichen Ressourcen». «Freiheit» steht weiterhin zuerst bei den Zielen der Partei, «Gemeinsinn» und «Fortschritt» folgen aber gleich auf dem Fuss. Zur «Rolle des Staates» fällt der Partei zuallererst der Satz «Der Mensch steht im Zentrum» ein. Es könnte auch das Motto einer sozialen Einrichtung sein.

Macht diese wahltaktische Abgrenzung der FDP von ihrer Stammwählerschaft Sinn? Das Misstrauen in Grossunternehmen habe stark zugenommen, ja «die Wirtschaft» in ihrer Gesamtheit sei für viele zu einem Feindbild geworden, stellt Neumitglied Nina Schärrer (SH) fest: «Dabei geht vergessen, wie elementar sowohl Schweizer als auch internationale Unternehmen für unsere hohe Lebensqualität sind. Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, zahlen Steuern, fördern Innovationen und investieren am Standort. Nur dank ihnen sind unsere hohen Standards in Bereichen wie Sozialleistungen, Gesundheitswesen, Bildung oder Infrastruktur möglich. Jede wirtschaftsfeindliche Entwicklung gefährdet diesen Wohlstand, von dem jeder von uns tagtäglich profitiert. Es gilt, in der breiten Bevölkerung ein Verständnis für diese Zusammenhänge zu wecken. Damit beginnen sollte man meines Erachtens bereits bei Jugendlichen.»

Schärrer wünscht sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – schulergänzende Betreuungsangebote etwa seien immer noch Mangelware. «Denn erstens soll jeder selbst entscheiden können, ob er oder sie nebst der Kinderbetreuung arbeiten möchte. Und zweitens liegt hier aus Sicht der Unternehmen ein grosses Potenzial an motivierten und gut ausgebildeten Arbeitskräften brach.» Sie tritt ausserdem ein für eine Förderung der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: «Durch meine ehrenamtlichen Tätigkeiten beim Roten Kreuz habe ich mit verschiedensten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen Kontakt. Ihr grösstes Ziel ist es, sich in der Schweiz mittels einer Lehrstelle eine berufliche Perspektive aufzubauen. Gleichzeitig stehen Unternehmen diesem Thema aus sozialen Gründen sowie aufgrund des Fachkräftemangels oft sehr positiv gegenüber. Die damit verbundenen bürokratischen Hindernisse müssen aufgehoben und die Ausbildung und Anstellung von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen aktiv gefördert werden.»

Dagegen nennt Manuela Schällibaum (BL) die Punkte soziale Sicherheit für jene, die unverschuldet in Not geraten (inklusive Verfolgung und Bestrafung jener, die sie missbrauchen), die Entschlackung des Lehrplans im Bildungswesen und eine offene, aber dennoch konsequente Migrations- und Integrationspolitik: «Für alle Ausländer gilt: Wer unser Gastrecht missbraucht und unsere Gesetze missachtet, muss das Land verlassen.» Philipp Landmark (SG) wünscht sich «ganz grundsätzlich einen starken, aber schlanken Staat, der nicht diejenigen mit überbordender
Bürokratie gängelt, die etwas leisten. Der aber durchaus sozial ist und im Sinne der Chancengleichheit diejenigen gezielt unterstützt, die unverschuldet mit einem Malus an den Start gehen.»

Digitalisierung in Angriff nehmen

Ulrich Menne (SH) will neben der direkten Demokratie auch die Eigenständigkeit der Schweiz stärken und die schulische und berufliche Bildung so gestalten, dass die Chancen und Nutzen
der Digitalisierung begriffen und genutzt werden können. In
Schaffhausen will er die bürgerliche Mehrheit zurückgewinnen: «Ich stamme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet und habe erlebt, wie wenig bedacht und bisweilen sorglos Sozialdemokraten und Grüne mit Steuergeldern umgingen und ganze Grossstädte in finanzielle Zwangslagen gebracht haben. Eine umsichtige Ausgabenpolitik und mehr Eigenverantwortung seitens aller Beteiligten ist hier angezeigt.» Auch Justus Reich (SG) ist die Digitalisierung ein Anliegen: «Meiner Meinung nach ist die Digitalisierung eine prägende Wende, die sich durch alle Gesellschaftsbereiche und Schichten durchsetzen wird. Die Schweiz muss hierbei international an vorderster Stelle stehen und diese Wende aktiv mitgestalten.» Dario Buschor (SG) ergänzt: «Die Schweiz hat einen hervorragenden Bildungsstandard, insbesondere das Modell der Berufslehre empfand ich auf Reisen stets als Erfolgsmodell. Da wir gleichzeitig eine relativ tiefe Quote an Universitätsabgängern haben, ist das Durchschnittsniveau jener Abgänger sehr hoch. Dennoch gerät dieses Modell immer mehr unter Druck. Wir müssen diese Bildungslücke schliessen, ohne unsere Topuniversitätslandschaft zu verwässern, und zudem unsere jüngste Generation auf eine digitalisierte und globalisierte Welt vorbereiten.»

Heimatgefühle

Am Apéro nach der Delegiertenversammlung in Pratteln stelle ich mich als Journalist vor und erkundige mich, wie gut der neue FDP-Slogan «Unsere Schweiz – unsere Heimat» ankommt. Während zwei Frauen lieber gar nichts sagen, verfällt eine Gruppe Freisinniger aus der Innerschweiz zuerst mal in Schweigen. Heimat ist kein Thema, über das man gerne redet in der FDP. «Heimat…», sagt dann eine Frau einer dritten Gruppe nachdenklich und fast entschuldigend, «… ist ja nicht etwas Schlechtes.» Um es kurz zu machen: noch fremdelt die Basis mit dem neuen Kurs, sie lehnt ihn aber auch nicht ab. Angesichts des Erfolgs, den die SVP damit in den letzten Jahren hatte, kann die Basis die von der Parteiführung vorgenommene Ausrichtung nachvollziehen. Auf der Bühne sagt Nationalrat Beat Walti, es gehe um die Gefühlsebene der Politik: die FDP dürfe den Patriotismus nicht den Konservativen überlassen. So wird der FDP-Wahlkampf 2019 also unter der Leitidee «Gemeinsam weiterkommen» stehen, mit dem Begriff «Heimat» im Zentrum dieser Vision. Dass der FDP, die bei jeder Gelegenheit auf den globalen Kontext verweist, die Themen «Patriotismus» und «Heimat» echte Anliegen sind, wird man ihr nicht abnehmen. Glaubwürdig ist lediglich der Wille zum Kompromiss.

Warum der FDP beitreten?

Zurück nach Zürich und zu Hans-Jakob Boesch, der aktuell sehr glücklich ist über das Engagement seiner Mitglieder, eine Partei lebe ja davon. «Wenn es zwei, drei Leute gibt in einer Ortspartei, die Freude daran haben, etwas auf die Beine zu stellen, motiviert das auch weitere Mitglieder.» Das gelte auch im Negativen: gibt es in einer Ortspartei niemanden, der zieht, kommen auch keine Mitglieder an die Veranstaltungen, und sie treten irgendwann aus. «Im Moment aber haben wir erfreulich viele engagierte, motivierte Ortsparteien. Die Leute kommen zu den Apéros – und sie bleiben.» Der «Apéroeffekt» sei so oder so nicht zu unterschätzen, sagt Boesch: «Die Leute kommen nicht nur zum Fassen von Parolen. Sie verbringen auch gerne Zeit mit den anderen Mitgliedern. Man teilt eine Haltung und schätzt sich als Kollegen.»

Was hat Neumitglieder dazu bewegt, der FDP beizutreten? «Meine Motivation, der FDP beizutreten, entspringt dem Wunsch, mitzuwirken und nicht immer nur die Faust im Sack zu machen. Wenn ich etwas bewegen will, muss ich mich mit Gleichgesinnten zusammenschliessen», schreibt Britta Schmid (SH). Christian Kieliger (UR) liess sich vom Satz «Wenn ich nicht entscheide, entscheiden andere» politisieren. Luca Lavina (BL) findet, es müsse sich ins Geschehen begeben, wer wirklich etwas bewegen und verbessern möchte: «Als Beobachter des politischen Geschehens – ja selbst als Wähler – ist der Einfluss, den man auf zukünftige Entwicklungen hat, ziemlich begrenzt.» Auch Manuela Schällibaum (BL) merkte in den letzten Jahren, dass sie Abstimmungen nicht bloss mit ihrer Stimme an der Urne begleiten möchte: «Oft sind Leute schlecht über Abstimmungsthemen informiert, lassen sich durch Populismus einschüchtern oder beeinflussen. Hier wollte ich ansetzen und so reifte all-mählich der Entscheid für einen Parteieintritt.» Rico Kienz (GR), der bis dahin ohne Partei politisierte, entschied sich für die FDP, als er für das kantonale Parlament kandidierte: «Ich habe bis 2018 nur kommunal aktiv politisiert. Eine Parteizugehörigkeit ist auf dieser Ebene noch nicht notwendig. Da die FDP meine bürgerlichen Ansichten am besten vertritt, war ein Einritt ab Kandidatur für den Grossen Rat des Kantons Graubünden die konsequente Schlussfolgerung.»

Olav Baumann (SG) wendete zur Auswahl der richtigen Partei ein Evaluationsverfahren an. Er versuchte so, seine persönliche DNA mit der einer Partei in Einklang zu bringen: «Dabei spielten die persönlichen Werte eine sehr wichtige Rolle. Ich mag die Vorstellung, dass ich mich in einem gewissen Bereich selbstinitiativ, eigenverantwortlich, aber auch verträglich für das Umfeld selbst entwickeln kann.» Nina Schärrer (SH) war lange auf der Suche nach der einen Partei, die ihre Ansichten zu hundert Prozent teilt. Doch so eine Partei existiert nicht, musste sie feststellen. Mit der FDP kann sie sich aber am besten identifizieren: «Und sollte ich doch mal anderer Meinung sein, halte ich mich an ihre liberale Haltung, welche andere Positionen zulässt.» Nadja Bolliger (TG) unterstützte einen guten Freund von ihr bei seinem Wahlkampf. «Über diesen Wahlkampf bin ich dann in den engeren Kontakt mit der FDP und ihren Mitgliedern sowie Mandatsträgern gekommen. Dadurch bin ich dann schliesslich der Partei beigetreten.» Liberale Werte als Beweggründe nennt etwa Eric Geiser (BL): «Als Schweizer Bürger und Unternehmer liegt mir das Wohl einer liberalen und freien Marktwirtschaft – vor allem für die KMU – am Herzen.» Und auch Ulrich Menne (SH): «Seit meiner Schulzeit denke ich politisch liberal und bin ein überzeugter Anhänger wirtschafts- und marktliberaler Ideen.» Monique von Graffenried-Albrecht (BE) ist eingetreten, weil ihr die FDP entspricht: «Liberales
Gedankengut und Eigenverantwortung sowie die Freiheit des einzelnen stehen im Vordergrund. Man soll nur dort regulieren, wo es nötig ist.»

Triple Standing Ovation für Schneider-Ammann

Offiziell verabschiedet wird Johann Schneider-Ammann von der Partei zwar erst im Januar 2019 in Genf. Der ganz grosse Dank wird aber bereits wenige Tage nach seinem Rücktritt an der Delegiertenversammlung in Pratteln aufgefahren. Insgesamt erhält Schneider-Ammann drei Standing Ovations: 30 Sekunden um 11.06 Uhr, 30 Sekunden um 11.22 Uhr, erst als um 13.18 Uhr nochmals alle aufstehen, setzt sich das Publikum, nun auch etwas ermüdet, bereits nach zwanzig Sekunden. Ob die FDP-Delegierten aus Erleichterung über seinen Entscheid oder aus aufrichtigem Dank für seine Leistungen applaudieren? Es trifft wohl beides zu. Die Medien waren über Wochen voll mit Texten, wie sie über Bundesräte nicht so oft geschrieben werden. Ausführlich schreiben die Zeitungen, dass er bei Sitzungen einnickt, auch viele FDP-Parlamentarier gaben darüber ihre Sorge zum Ausdruck – namentlich zitieren lassen wollten sie sich dabei aber natürlich nicht. Die beiden Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Ignazio Cassis bewegen sich frei am Anlass, Personenschützer sind nicht zu sehen oder verhalten sich äusserst diskret. «Vielleicht sind Bundesräte eben doch nicht so mächtig in der Schweiz», sagt jemand, als ich ihm davon erzähle. Minister im Ausland würden sich sicher auch gerne so frei bewegen können.

Liberal – was ist das?

Beantwortet haben die Neumitglieder auch die Frage, was für sie der Begriff «liberal» bedeute, was sie konkret darunter verstünden. Hier einige ausgewählte Definitionen:

  • Jedermann soll freiheitlich leben können, solange sich dies für andere nicht störend auswirkt. (Philipp Arnold, UR)
  • Die Freiheit, ohne unnötige Bevormundung selbst über mein Leben bestimmen zu können. Und den anderen diesen Freiraum auch zuzugestehen. (Philipp Landmark, SG)
  • Freiheit + Verantwortung + Toleranz (Christian Kieliger, UR)
  • Dass der Mensch als Individuum so weit handeln und bestimmen darf, ohne dass er dabei seine Mitmenschen oder das Gemeindewohl stört. (Nadja Bolliger, TG)
  • Dass eine Gesellschaft es erlaubt, dass man sich in seinem gewünschten Bereich (ob beruflich oder privat) frei entwickeln kann, ohne dass das für andere Personen oder Personengruppen eine reale negative Auswirkung hat. (Olav Baumann, SG)
  • Dass man den Menschen einerseits zutraut, ihren Verstand zu gebrauchen, und sie nicht durch überschwengliche Regulierung in ihrem Dasein einengt. (Dario Buschor, SG)
  • Liberal bedeutet für mich die persönliche und gesellschaftliche Freiheit, das Recht auf freie Meinungsbildung und eine Pflicht, die Selbstverantwortung wahrzunehmen. (Britta Schmid, SH)
  • Liberal bedeutet für mich Freiheit und Selbstverantwortung gegenüber einer staatlichen Regierungsgewalt. (Eric Geiser, BL)
  • Liberal ist die Betonung von Freiheit im Denken und Handeln jedes einzelnen Bürgers. (Ulrich Menne, SH)
  • Liberal ist die Grundvoraussetzung für eine gelebte Demokratie und beschreibt die Freiheit des Individuums. (Thomas Heinrich, BL)

Manuela Schällibaum (BL) drückt es so aus: «Die liberale Grundhaltung ist eine der wichtigsten, die sich ab dem 19. Jahrhundert entwickelt hat. Die Bürger durften individuelle Freiheit erfahren, weg von Unterdrückung und Fremdbestimmung und Einflüssen von aussen. Die liberalen Errungenschaften sind für mich persönlich einer der wichtigsten Fortschritte in der Geschichte der Menschheit. Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem ich meine Meinung frei äussern darf, ohne Angst haben zu müssen, strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten. Ich darf meinen Wünschen und Interessen nachgehen, ohne vom Staat willkürlich in die Schranken gewiesen zu werden, weil ich darauf zählen kann, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Der liberale Grundgedanke kann jedoch auch Risiken bergen. Hier gilt es sich immer wieder daran zu erinnern, dass liberal nicht automatisch bedeutet, sich aus der persönlichen Verantwortung zu ziehen, weil ja fast alles frei wählbar und beliebig austauschbar ist.»

Die Bündelung des Willens von Individuen

Hinsichtlich des Milizprinzips beschäftigt Hans-Jakob Boesch vermehrt der Kontrast zwischen seinem mit beschränkten Mitteln ausgeführten Ehrenamt und dem hochprofessionell organisierten Umfeld, in dem er sich bewegt: Verwaltung, Medien, Unternehmen und Verbände. «Die Ansprüche an unsere Arbeit, auch seitens der Medien, sind gross. Problematisch finde ich auch, dass sich die Medien vor allem auf den Knatsch innerhalb und zwischen den Parteien stürzen, was davon ablenkt, dass das politische System grundsätzlich gut funktioniert und insgesamt befriedigende
Resultate liefert. Will man in die Medien kommen, dann geht es vor allem darum, dass man sich den medialen Spielregeln fügt – was das Problem jedoch noch verstärkt.»

Was zeigen die von FDP-Neumitgliedern eingeholten Meinungen? Die FDP verfügt durchaus über eine gemeinsame Basis, eine kluge und informierte darüber hinaus. Ihr Problem besteht nicht darin, dass ihr aufgrund der historischen Entwicklung und des technischen Fortschritts die Reformideen ausgehen, wie das etwa der Sozialdemokratie aktuell passiert, die längst alles erreicht hat, für was sie einst angetreten ist (und mehr dazu). Für Liberale gibt es immer noch viel zu tun. Zwar ist die liberale Gesellschaft weitgehend zur Realität geworden. Die unternehmerische Freiheit jedoch und mitunter auch die Handlungsfreiheit des einzelnen werden von unnötigen Gesetzen und Verordnungen beschränkt, zunehmend auch von ungeschriebenen. Das Verteidigen des Erreichten und weitere Liberalisierungsfortschritte sind und bleiben grosse Aufgaben.

Das Problem der FDP wie aller freiheitlichen Parteien ist, dass sie die politischen Haltungen von Menschen bündeln müssen, die sich zwar im Kollektiv organisieren wollen, aber meist betont individualistisch denken. Das macht die Prioritätensetzung schwierig und Grabenkämpfe unausweichlich. Nina Schärrer (SH) drückt es so aus: «Der liberale Mensch denkt eigenständig, setzt auf Eigenverantwortung und akzeptiert andere Lebens- und Denkkonzepte. Er fordert und fördert ein System, das jedem leistungsbereiten Menschen Chancen bietet. Gleichzeitig unterstützt er jene, die ohne Selbstverschulden auf Hilfe angewiesen sind.» Und Luca Lavina (BL) schreibt: «Jeder Mensch ist anders, hat eigene Bedürfnisse, die sich von denen anderer Menschen unterscheiden. Eine liberale Gesellschaft sollte sich dafür einsetzen, dass die Freiheit des Individuums stets gewährleistet ist. Im Gegenzug übernimmt das Individuum Selbstverantwortung und handelt mit Gemeinsinn, um die Gesellschaft voranzutreiben.»

Für diesen Artikel haben wir 18 Personen, die in den Kantonen Baselland, Bern, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau und Uri neu der FDP beigetreten sind, um Auskunft gebeten. Wir danken ihnen für die Mitarbeit.

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