Eine Plattform wie E-Bay
Was macht eine Schweizer Firma, wenn sie ins Ausland gehen will? Eine Möglichkeit ist, sich mit Rat und Tat von Osec unterstützen zu lassen, dem Kompetenzzentrum der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung. Ein Gespräch mit dem Direktor.
Wegen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise sind in der Schweiz seit Anfang des Jahres die Exporte um gut 15 Prozent gesunken. Ihre Organisation Osec gilt als das Kompetenzzentrum der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung. Ist sie mehr gefordert als sonst?
Zu uns kommen eher kleine Firmen. Bei den vergleichsweise geringen Stückzahlen spielt das Wohin in Aufschwungszeiten zwar keine so grosse Rolle. Es gibt genügend Wachstumsmärkte. Doch in einer Zeit wie jetzt, in der die meisten Exportmärkte schrumpfen, da müssen diese Firmen schon genauer schauen, wohin sie gehen wollen. Daher haben die Anfragen deutlich zugenommen.
Worin besteht Ihre Dienstleistung?
Sie müssen sich das vorstellen wie bei Amazon oder E-Bay. Wir sind eine Plattform, die für den Austausch von Angebot und Nachfrage im Bereich der Exportberatung und Exportdienstleistungen sorgt. Wir stellen etwa eine Datenbank – den pool of experts – zur Verfügung, in der die Daten von 450 privaten Experten abgelegt sind, von der one-man-show bis zu grösseren Beratungsunternehmen. Dort können unsere Kunden direkt nachschauen, wenn sie etwas suchen. Ich bin jetzt seit 2004 bei Osec, und in dieser Zeit hat sich bei gleicher Mitarbeiterzahl die Anzahl der abgewickelten Mandate verdreifacht.
Ein Erfolgsausweis. Und die Verdreifachung ist allein auf diese Vermittlungsaktivitäten zurückzuführen?
Grösstenteils ja; denn vor 2004 haben wir die Dienstleistungen ausschliesslich selbst erbracht. Doch irgendwann fehlte die Kapazität. Der Idealzustand wäre, dass wir nur noch als Plattform-Netzwerker tätig wären und dadurch den Kunden ein viel breiteres Angebot offerieren könnten, als wenn wir alles selber machen.
Dann müssten Sie ja alle Fachkompetenz extern einkaufen.
Wir müssen nicht, wir wollen sie zum grössten Teil einkaufen. Es ist doch nicht sinnvoll, dass wir Strukturen aufbauen, die es auf dem Markt bereits gibt. Etwa die Hunderte von Beratern, die Machbarkeitstudien erstellen.
Ihr Kunde tippt also die Suchanfrage ein, und die Datenbank sucht Passendes. Wie garantieren Sie Qualität und Vielfalt der angebotenen Dienstleistungen?
Wer gut gearbeitet hat, der wird auch mehrfach bedacht. Es gibt zwei Arten von Experten. Jeder, der einen Fragebogen ausfüllt und 120 Franken bezahlt, ist dabei. Hat er ein attraktives Leistungsangebot, dann wird er auch gefunden. Wenn er dann noch seine Arbeit gut macht, dann kommt er automatisch auf das nächste Expertenniveau und wird Official Osec Expert.
Sie stellen es ja fast so dar, als hätten Sie kaum etwas zu tun. Will denn der Kunde sich überhaupt in den Dschungel einer Datenbank begeben, oder erwartet er nicht vielmehr, dass ihm in einer persönlichen Beratung das Beste auf dem Markt geboten und sein Risiko eventueller Fehlgriffe minimiert wird?
Wir können nicht den einen Experten als gut, den andern als schlecht qualifizieren; das muss der Kunde tun. Alles was wir tun können, ist, die Experten speziell auszuweisen, mit denen wir bereits zusammengearbeitet haben und mit deren Leistungen wir, beziehungsweise die Kunden, zufrieden waren – als Official Osec Experts eben.
Haben Sie Konkurrenz?
Es gibt kleinere Firmen in der Privatwirtschaft, die Ähnliches machen. Früher haben wir sie konkurrenziert, aber das hat in eine Sackgasse geführt. Inzwischen versuchen wir, sehr eng mit den Handelskammern und Privatanbietern zusammenzuarbeiten. Dies hat sich als das tragfähigere Modell erwiesen, weil wir so ein viel breiteres Dienstangebot zur Verfügung stellen können. Dazu sehen wir uns als Unternehmen mit Staatsauftrag verpflichtet.
Wieviel kosten Ihre Dienstleistungen?
Informationsübermittlung und Erstberatung sind gratis. Die Detailberatung wird dann kostenpflichtig. Da dieser Teil der Dienstleistungen grösstenteils von Dritten erbracht wird, kommen weitestgehend Marktpreise zur Anwendung.
Machen Sie Gewinn?
Nein. Die Erträge, die wir erwirtschaften, werden zur Subventionierung der Gratisdienstleistungen eingesetzt.
Und alle weiteren Mittel erhalten Sie vom Bund?
Für die Exportförderung stehen uns jährlich etwa 17 Millionen Franken Bundesmittel zur Verfügung. Und dann nehmen wir weitere 7 bis 8 Millionen ein, durch Mitgliederbeiträge, Dienstleistungen, Messen oder andere Veranstaltungen. Wir sind daher zu etwa 70 Prozent durch die öffentliche Hand und zu 30 Prozent privat finanziert.
Wovon hängt es ab, wie hoch die Bundesmittel ausfallen?
Davon, ob das Geld bei uns gut angelegt ist. Für die Exportförderung haben wir einen Leistungsauftrag vom Seco, dem Staatssekretariat für Wirtschaft. Die dabei vorgegebenen Zielsetzungen müssen wir erreichen. Mehrmals im Jahr werden unsere Leistungen überprüft, und alle vier Jahre stellt das Seco dem Parlament einen neuen Finanzierungsantrag.
Und wenn die Höhe des Betrags im Antrag höher ist, dann wissen Sie, dass Sie gut gearbeitet haben?
Solches hängt nicht nur von unserer Arbeit ab, sondern natürlich auch davon, ob man sich in einer Sparrunde befindet oder expansiv denkt. Zurzeit gibt uns die Regierung im Rahmen des Stabilisierungs- und Konjunkturstützungsprogramms deutlich mehr. Doch danach muss wohl ein Sparprogramm eingeläutet werden, und dann wird auch bei uns gekürzt. Aber dass wir schon einmal weniger bekommen hätten, weil der Bund mit uns nicht mehr zufrieden gewesen wäre, daran kann ich mich nicht erinnern.
Wie sähe die Aussenwirtschaft der Schweiz ohne Osec aus?
Lassen Sie mich etwas weiter ausholen. Wir sprachen ja schon darüber, dass die Exporte gegenüber den Vergleichszahlen des letzten Jahres um 15 Prozent eingebrochen sind. Das ist ein deutlich kleinerer Einbruch als etwa in Japan oder Deutschland, wo Rückgänge von über 20, teilweise sogar über 30 Prozent zu verzeichnen sind. Für das gute Abschneiden der Schweiz gibt es drei Gründe. Erstens ist die Schweiz hinsichtlich der Absatzprodukte besser diversifiziert. Wir verkaufen nicht nur Elektronik oder Autos, sondern unser Branchenspektrum an Exportartikeln ist breitgefächert. Zweitens ist die Schweiz auch mit Blick auf die Absatzländer besser diversifiziert. Der grösste Absatzmarkt ist Deutschland, das jedoch mit lediglich 20 Prozent zu Buche schlägt, dann kommen die USA mit nur 10 Prozent und so fort. Und drittens ist die Schweiz punkto Exporteure besser diversifiziert. Wir haben nicht 10 oder 20 Grossexporteure, sondern 37’000 Firmen, die meisten davon KMU, also kleine und mittlere Unternehmen. Wenn ich in der Welt herumreise, dann staune ich jedesmal, wie viele Schweizer Firmen überall zu finden sind. Man kann das fast schon aggressiv nennen, wie die sich im Ausland festsetzen.
Die Schweiz als kleines, rohstoffarmes Land war schon immer darauf angewiesen, dass auch die kleinen Firmen ins Ausland gingen. Das hat Tradition und auch einen grossen Anteil am Wohlstand. Aber was ist nun der Beitrag von Osec an all dem?
Die meisten Firmen hier – wenn es sich nicht grad um einen Coiffeursalon oder einen Kioskbetrieb handelt – wissen, dass sie ins Ausland gehen müssen, wenn sie überleben wollen. Sie wissen, dass die international tätigen Sektoren am produktivsten sind, weil durch die Konkurrenz die Produktionsfortschritte vorangetrieben werden. Vielen von ihnen ist der heimische Markt auch ganz einfach zu klein. Unsere Aufgabe – neben der Plattformfunktion – ist auch, die Erfolge der Exportwirtschaft bewusst zu machen und diese expansive Kultur zu fördern. Etwa über die Medien.
Apropos Medien: die neuen Medien, sprich Internet und der damit verbundene Zugriff auf schier unendlich viele Informationen weltweit – welche Auswirkungen hat dies auf die Exporttätigkeit?
Ich glaube, dass dank dem riesigen Informationsangebot der Wettbewerb mehr in die Tiefe und weniger in die Breite geht. Die Unternehmen werden mehr als früher gezwungen, sich zu spezialisieren. Zum zweiten ist durch das gewachsene Informationsangebot die Hemmschwelle gesunken, sich global zu engagieren.
Welche Veränderungen bedeutet dies für Ihre Arbeit?
Länderberichte oder Knigges wie «How to do business in India» gibt es inzwischen zu Hunderten im Internet. Da müssen wir nichts mehr machen. Hingegen kommen jetzt mehr Firmen, die etwa nach Indien gehen wollen und dafür handfeste Unterstützung brauchen: die Kontaktvermittlung zu Agenten, Distributoren, Importeuren oder Joint-Venture-Partnern. Oder nehmen Sie etwa China: dort läuft ohne Kontakte zu den lokalen Regierungen nichts.
Ein Aufgabenfeld auch der Commercial Diplomacy. Wie sieht es da mit der Zusammenarbeit aus?
In der Commercial Diplomacy kann der Schwerpunkt auf der Politik oder auf der Wirtschaft liegen. Es gibt daher auf der einen Seite die übergeordnet tätigen Diplomaten, die mit Rahmenbedingungen und bilateralen Wirtschaftsaspekten beschäftigt sind und etwa WTO-Gespräche führen. Auf der anderen Seite gibt es die Diplomaten, die ihre Erfahrungen und Netzwerke in den Dienst von KMU stellen und diesen handfeste Unterstützung etwa dann bieten, wenn sie in einem neuen Markt Fuss fassen wollen.
Und Sie arbeiten eher mit diesen handfesten Wirtschaftsdiplomaten zusammen?
Ja, natürlich. Wir haben sechzehn Aussenstellen, sogar noch mehr, wenn man die Satelliten dazuzählt. Und diese Swiss Business Hubs sind meist in Botschaften angesiedelt. Ihre Mitarbeiter werden vom Aussenministerium bezahlt, aber fachlich von uns geführt.
Wo überall haben Sie diese Business Hubs eingerichtet?
Es beginnt im Osten mit Bejing, Tokio, Singapur und Mumbai. Dann in Dubai, Moskau, Warschau, Wien, Stuttgart, Mailand, Paris, London und Madrid. Auf dem afrikanischen Kontinent in Pretoria, auf dem amerikanischen in Chicago und São Paulo.
Warum sind aufstrebende Volkswirtschaften nicht dabei, wie etwa Taiwan, Südkorea oder auch – geographisch näher – Länder wie Ungarn oder die Türkei?
Wir haben die Hubs dort angesiedelt, wo die Exportwirtschaft die meiste Unterstützung braucht und wo die meiste Nachfrage bestand.
Gibt es da nicht die Gefahr, dass Sie zu sehr hinterherhinken statt neue Trends zu setzen?
Zwei Drittel unserer Exporte gehen noch immer nach Europa. Dennoch bauen wir hier unsere Ressourcen eher ab, weil wir glauben, dass die KMU unsere Unterstützung in der EU immer weniger brauchen; denn die europäischen Märkte sind transparent und leichter zu erschliessen als einige der exotischen Fernmärkte. Wir verlagern die Ressourcen deshalb gezielt auf Länder wie Russland, China oder Indien. Andere, wie Mexiko, Kasachstan oder die Türkei, haben wir im Blick. Ferner beobachten wir die Aussenwirtschaftspolitik des Bundes. Wenn jetzt etwa das Freihandelsabkommen mit Kolumbien abgeschlossen wird, dann folgen wir im Kielwasser und versuchen das Land auch auf das Radar der KMU zu bringen. Es ist also nicht immer nur die Nachfrage der Kunden; es gibt auch Fälle, wo wir vor der Welle schwimmen.
Kommen wir nochmals zurück zu den diplomatischen Vertretungen, mit denen Sie zusammenarbeiten. Wird da im Bereich der Commercial Diplomacy genügend getan?
Ich beantworte Ihre Frage mit einem Beispiel. In einem Land haben Sie einen Botschafter, der sehr wirtschaftsfreundlich ist und sich der Belange der Wirtschaft aktiv annimmt. Doch nach vier Jahren muss er in ein anderes Land, und sein Nachfolger legt das Schwergewicht eher auf kulturelle Beziehungen. Die Belange der Wirtschaft haben für ihn einen kleineren Stellenwert als für seinen Vorgänger. Darunter können im Extremfall einerseits die Unternehmen leiden, die sich für dieses Land interessieren, anderseits aber auch generell die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den beiden Ländern. Solche Fälle gibt es, und sie zeigen, wie wichtig in der Commercial Diplomacy eine langfristige Strategie ist. Hier könnten viele Länder noch zulegen.
Könnte das geschilderte Problem nicht auch dadurch gemildert werden, dass Leute aus der Wirtschaft zeitweise in den diplomatischen Dienst eintreten?
Das wäre ideal. Ich bin Verfechter einer höheren Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Politik. Die Tendenz geht ja auch in diese Richtung. Dafür müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Meines Erachtens müsste diese Durchlässigkeit gezielt gefördert werden, so wie etwa in den USA.
Noch ein letzter Aspekt. Auf dem Weg hierher lagen einige Personen in Leintüchern auf der Strasse und warben für die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» am 29. November.
Zum politischen Gehalt dieser Initiative will ich mich nicht äussern. Tatsache ist jedoch, dass die Schweiz zwischen Januar und September dieses Jahres etwa eine halbe Milliarde solcher Exporte getätigt hat. Das ist viel, und dahinter stehen viele Arbeitsplätze.
Dann versuche ich es anders. Haben Sie einen Code of Conduct, der hier Richtlinien vorgibt?
Den haben wir, und wir weisen in unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch ganz klar darauf hin.
Es wird also auch die Situation diskutiert, in der Handelsinteressen mit den Menschenrechten in Konflikt geraten?
Ja, natürlich. Wir vertreten ethische Grundsätze, an die wir uns halten und auf deren Einhaltung wir auch unsere Kunden hinweisen. Aber was die Kriegsmaterialexporte anlangt, dürfen Sie unseren Einfluss nicht überschätzen. Wir beraten ja vor allem KMU, und solche Güter werden hauptsächlich von grösseren Firmen exportiert. Dazu kommt, dass der Markt für solche Produkte sehr übersichtlich ist – man kennt sich und verhandelt direkt. Da geht man normalerweise nicht über Osec oder einen Swiss Business Hub.
Osec, gegründet 1927 als Office suisse d’expansion commer-ciale, ist ein privat-wirtschaftlicher Träger mit staatlichem Leistungsauftrag. Der Zweck von Osec sei, so der Handelsregister-eintrag, «die Förderung der schweizerischen Aussenwirtschaft, insbesondere durch Export-, Import- und Investitionsförderung sowie die Standort-promotion der Schweiz». www.osec.ch