Eine Anklage gegen die kommerzielle Fischereiindustrie
Die Netflix-Dokumentation «Seaspiracy».
Fischstäbchen aus saftigem, schneeweissem Fleisch, gefischt von Käpt’n Iglo höchstpersönlich – weit gefehlt! Wer die neue Netflix-Dokumentation «Seaspiracy» des britischen Filmemachers Ali Tabrizi schaut, wird sich beim nächsten Einkauf den Griff zum Fischfilet zweimal überlegen. Die Doku ist eine schockierende Anklage gegen die kommerzielle Fischereiindustrie – von A bis Z.
Tabrizi macht darin von Anfang an deutlich: Dem kommerziellen Fischfang kann rein gar nichts Positives abgewonnen werden. Seine Thesen lässt er von Wissenschaftern, Aktivisten, Unternehmern, Journalisten und Direktbetroffenen aus der ganzen Welt untermauern: Die Fischereiindustrie lebt von Tierquälerei, Ausrottung der Arten, Sklaverei, Ausbeutung, Lügen, Klimaschädigung. Hinzu kommt eine – wie es der Titel «Seaspiracy» schon andeutet – verschwörerische Komponente. Tabrizi behauptet, dass die Öffentlichkeit vollumfänglich belogen werde: Lachsfleisch werde künstlich gefärbt, damit es gesünder aussehe. Plastikabfall werde von Organisationen und Regierungen als das Hauptproblem der Verschmutzung der Ozeane herangezogen, obwohl die Auswirkungen des Fischfangs weitaus gravierender seien. Gütesiegel würden vergeben, obwohl deren Überprüfung auf offener See kaum möglich sei. Tabrizi macht kein Geheimnis daraus, dass er das Publikum vom Fischkonsum abbringen möchte, und wendet alle erdenklichen Mittel an, um sein Ziel zu erreichen. Wie bei vielen Netflix-Produktionen geht es deshalb nicht um sachliche, neutrale Aufklärung, sondern vor allem auch um Unterhaltung.
Wer empfänglich ist für das Thema, findet hier Bestätigung. Kritiker hingegen mögen sich an der reisserischen Art und Weise der Doku stören. Doch gegen die Botschaft, sich näher mit dem zu beschäftigen, was auf dem eigenen Teller landet, und das Konsumverhalten gründlich zu überdenken, ist nichts einzuwenden. Und wenn es Schock braucht, um diese Botschaft zu vermitteln, hat Tabrizi mit «Seaspiracy» sein Ziel durchaus erreicht – und dem Publikum hoffentlich einen Denkanstoss geliefert. (sa)
Die Dokumentation «Seaspiracy» ist seit März 2021 auf Netflix zu sehen