Ein Ökonom redet sich in Rage
Fabio Canetg kritisiert in seinem Podcast einen «Schweizer Monat»-Essay von Adriel Jost. In einem entscheidenden Punkt stützt er dessen Argument.

«Den spannendsten Wirtschaftsartikel des Tages» verspricht Fabio Canetg in seinem Podcast «Schweizer Wirtschaft Daily». Der linke Ökonom garniert die Fundstücke jeweils mit einer Kurzanalyse – oft erfrischend kritisch. So auch am Dienstag, als er Adriel Josts Essay über Geldpolitik und Migration aus dem druckfrischen «Q» des Schweizer Monats präsentierte.
Das Framing gab Canetg gleich zum Auftakt vor: «Der SNB wird neuerdings aus konservativen Kreisen die Schuld an der hohen Zuwanderung gegeben.» Inwiefern man bei Jost als Präsidenten des Thinktanks «Liberethica», der in einem liberalen Magazin wie dem Schweizer Monat schreibt, von «konservativen Kreisen» sprechen kann, sei dahingestellt.
Canetg wirft seinem Ökonomenkollegen vor allem vor, er gehe stillschweigend davon an, dass die Immigration zu hoch sei. «Wäre es im Gesamtinteresse des Landes, wenn die Zuwanderung tiefer wäre?» (Er selber bezweifelt das.) Damit verfälscht er allerdings das Hauptargument Josts. Dessen zentrale These ist, dass die Nationalbank die Zuwanderung unbeabsichtigt über das Mass hinaus antreibe, das rein vom Bedarf der Wirtschaft beziehungsweise der Gesellschaft her angebracht wäre. Dieses Argument stützt Canetg sogar noch, indem er einräumt, dass die derzeitige Geldpolitik «eher im stimulativen Bereich» sei.
Canetg kritisiert auch Josts Vorschlag, die SNB könnte in ihrer Geldpolitik auch die Arbeitslosenrate berücksichtigen. Dies werde zu Zielkonflikten zwischen Preisstabilität und Arbeitslosigkeit führen, mahnt Canetg. Konkret befürchtet er, die Inflation könnte dann zu tief ausfallen. Dass Zielkonflikte auftreten können, ist natürlich klar, was einen erweiterten Fokus indes nicht ausschliesst (in den USA hat die Notenbank sogar ein Doppelmandat von Preisstabilität und maximaler Beschäftigung). Im Übrigen wäre eine etwas tiefere Inflation in der Schweiz sicher keine Katastrophe, im Gegenteil.
«Jetzt habe ich mich doch noch in Rage geredet», sagt Canetg zum Schluss. Unterhaltsam ist der Podcast trotzdem (oder gerade deswegen). Und die Debatte ist lanciert. (Lukas Leuzinger)