
Ein Leben für die Geschwindigkeit
Schnelle Maschinen als Beruf und Berufung: Ein persönlicher Blick zurück von einer Schweizer Motorradlegende und dem Inhaber eines Speed-Weltrekords.
Zum Motorrad hatte ich seit meiner Kindheit eine extrem starke emotionale Verbindung. Meine Faszination gilt der Technik, den schnellen Fahrzeugen, dem Motorsport im besonderen. Als etwa 13-Jähriger hatte ich prägende Erlebnisse, als wir mit Freunden gemeinsam ein gebrauchtes Moped der Marke Cucciolo erstanden – ein Viertaktmotor in einem Velorahmen war das. Wir hatten im Wald einen von Förstern angelegten Rundweg, um Bäume herauszuschleppen, in eine Rennstrecke verwandelt, um ohne Nummer und ohne Ausweise lustvoll herumzurasen, solange das Sackgeld fürs Benzin reichte…
Mit 18 Jahren, als Feinmechanikerlehrling bei den Albis-Werken in Zürich, sah ich zum ersten Mal eine Vincent Black Shadow, damals das schnellste und tollste Motorrad überhaupt. Sie gehörte einem Mechaniker, der damit täglich zur Arbeit erschien. Am Feierabend bin ich stets schnell zum Parkplatz gerannt, um das Zeremoniell zu beobachten, wie er sein Motorrad startete: Benzinhähne öffnen, Zündung auf «spät» stellen, Luftschieber schliessen, Vergaser gefühlvoll fluten, Dekompressor ziehen, dreimal «leer» durchtreten, Kolben des hinteren Zylinders einstellen und dann mit aller Kraft den Kickstarter durchtreten – und die Maschine ballert los… Das hat mich ungemein fasziniert. Irgendwann hat er mich bemerkt und mir offeriert, ihm bei der Wartung zu helfen. Das war eine immense Ehre für mich – und als er mich eines Tages eine halbe Stunde mitfahren liess, feierte ich «Weihnachten und Geburtstag» zusammen! Daraus entstand eine Freundschaft. Leider wurde er schwer krank, bald arbeitsunfähig und starb. Die Maschine überliess er mir.
Ich begann damals, Rennen zu fahren, und hatte irgendwann Geld nötig. Ich habe deshalb die Black Shadow mit sehr schlechtem Gewissen verkauft. Jahre später wurde mir bewusst, dass ich das nicht hätte tun dürfen, und ich machte mich auf die Suche nach dem Motorrad. Ich fand die Maschine tatsächlich, sie war inzwischen durch drei Hände gegangen und ich konnte sie wieder zu mir «nach Hause» nehmen. Sie war in einem desolaten Zustand. Mit viel Liebe habe ich sie perfekt restauriert. Ich besitze sie noch heute. Sie hat nun einen Seitenwagen angebaut und ich fahre nach wie vor mit ihr. Sie ist Baujahr 1947 und bleibt mein Lieblingsmotorrad.
Anfänge
Nach der Feinmechaniker-Lehrabschlussprüfung, die ich 1958 als einer der Besten in der Schweiz absolvierte, durfte ich mit der Firma für drei Jahre nach Mexiko. Auch dort bin ich Motorrad gefahren, eine Ariel Scrambler – herrlich, damit durch die Wüste zu donnern. Dort verdiente ich gut und sparte fleissig, um meine Selbständigkeit nach der Rückkehr in die Schweiz vorzubereiten. Ein Bekannter von mir stellte mir einen leeren Kuhstall zur Verfügung, ich kaufte und revidierte eine alte Drehbank und eine alte Fräsmaschine, baute Gestelle und eine Werkbank und richtete so meine erste Motorradwerkstatt ein. Mein Bett war in der Werkstatt, hinter einer Militärblache. Meine ersten Kunden waren allesamt meine Freunde, bezahlt haben sie mit einem Kasten Bier, einer Büchse Sardinen oder Würsten. Irgendwann habe ich angefangen, moderat Geld für meine Leistungen zu nehmen, und so begann die Selbständigkeit tatsächlich.

Im Winter 1967/68 interessierte mich, was wohl ein perfektes Fahrwerk ausmacht. Ich konstruierte ein leichtes, verwindungsfreies Chassis für den Vincent-Motor, einen Zentralrohrrahmen. Die Egli-Vincent war 50 kg leichter als das ursprüngliche Modell aus England, damit habe ich fast jedes Rennen und die Schweizer Meisterschaft gewonnen. Zum Jahresende ‘68 war eine Entscheidung fällig: entweder Rennsport auf internationalem Niveau oder mich auf das Geschäft konzentrieren. Es wurde letzteres. Die Rennmaschine übergab…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1095 - April 2022 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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