Ein Land von Stiftern
Ein sinnvoller und für viele Wohltäter besonders befriedigender Verwendungszweck für privates Vermögen ist das Spenden. Eine Form, dies zu tun, ist die Einrichtung einer Stiftung. Gemeinnützige Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwesen. Sie sind Ausdruck bürgerlichen Engagements. Je mehr Stiftungsaktivitäten es gibt, umso weniger braucht es die staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter – etwa in […]
Ein sinnvoller und für viele Wohltäter besonders befriedigender Verwendungszweck für privates Vermögen ist das Spenden. Eine Form, dies zu tun, ist die Einrichtung einer Stiftung. Gemeinnützige Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwesen. Sie sind Ausdruck bürgerlichen Engagements. Je mehr Stiftungsaktivitäten es gibt, umso weniger braucht es die staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter – etwa in den Bereichen Bildung, Kultur, Soziales, Sport oder Umweltschutz. Stiftungen sind ein Instrument zur Mobilisierung privaten Kapitals für gemeinnützige Zwecke. Dies ermöglicht mehr Wettbewerb und Innovation bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen als ein bürokratischer Staatsapparat.
In kaum einem anderen Land Europas ist der Einsatz der Bürger für ihr Gemeinwesen derart entwickelt wie in der Schweiz. Kein Land zählt weltweit mehr Stiftungen pro Einwohner, und kaum anderswo in Europa sind Spendenbereitschaft und Freiwilligenarbeit so ausgeprägt wie hierzulande. Burgergemeinden, Milizarbeit und Vereinswesen sind integraler Bestandteil des Alltags, und es ist bezeichnend, dass die Schweiz das Genossenschaftliche bereits im Namen trägt.
Der Grundgedanke des Stiftens ist, dass ein freier Bürger weit über den eigenen Tod hinaus mittels seines privaten Eigentums durch die Festschreibung seines Willens (Statuten) und durch die Wahl seiner Treuhänder (Stiftungsrat) einen persönlichen Beitrag zum Gemeinwesen leistet. So spiegelt die Vielfalt der Stiftungen auch den Pluralismus einer offenen Bürgergesellschaft, einer Gesellschaft, die sich von unten her konstituiert, nicht von oben. Die Freiheit des Stifters und der Stifterwille sind ein hohes Gut, und daher ist es wichtig, dass die liberale Ausrichtung des Schweizer Stiftungsrechts auch künftig erhalten bleibt.
Aber es gibt auch bei Stiftungen einen gewissen Regulierungsbedarf, vor allem wegen des Trennungs- und Erstarrungsprinzips, das dieser spezifischen Rechtsform zugrunde liegt: «Der Stifter trennt sich endgültig vom gewidmeten Vermögen, Stifter und Stiftung werden zwei unabhängige Rechtspersonen, und der Stifterwille ist mit der Stiftungseinrichtung erstarrt» (Dominique Jakob). Dies birgt einerseits «Principle-Agent»-Probleme: Es muss sichergestellt werden, dass der Stiftungsrat (Agent) als Treuhänder des Stifterwillens (Principle) auch in dessen Sinne handelt. Vor allem da der Stiftungsrat sich durch Kooptation (d.h. die Wahl neuer Stiftungsräte durch die bestehenden) «fortpflanzt», besteht die Gefahr, dass er sich – wie beispielsweise im Falle der Coninx-Stiftung – zu sehr verselbständigt.
Anderseits kann die Erstarrung des Stifterwillens in Form der Statuten zu Schwierigkeiten führen. Nicht zuletzt da viele Stiftungen auf Ewigkeit ausgelegt sind, bedarf es einer neutralen Instanz, die darüber urteilt, ob etwa Anpassungen des Stiftungszwecks im Sinne des ursprünglichen Stifterwillens sind. Diese Rolle kommt einer staatlichen Stiftungsaufsicht zu. Gerade weil die Freiheit des Stifters und sein Wille so bedeutend sind, müssen der Freiheit der Stiftung und ihrer Organe gewisse Grenzen gesetzt werden. Es gibt noch einen Grund für eine staatliche Stiftungsaufsicht: Gemeinnützige Stiftungen geniessen Steuerbefreiungen und daher muss im Sinne der Steuerzahler sichergestellt werden, dass sie auch gemeinnützigen Zwecken dienen.
Ein liberales Credo lautet «Weniger Staat, mehr Privatinitiative», und dies gilt auch für den gemeinnützigen Stiftungssektor. Daher hat Avenir Suisse sich des Themas in einer neuen Studie* angenommen: Die Studie zeigt, wie sich das gemeinnützige Stiftungswesen seit der Jahrtausendwende entwickelt hat und welche zusätzlichen Reformen nötig sind, um den Stiftungsstandort Schweiz weiterzuentwickeln. Ziel sollte es sein, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass zum einen mehr privates gemeinnütziges Engagement ermöglicht wird und zum anderen mehr unternehmerisches Handeln und eine grössere Wirksamkeit des Mitteleinsatzes gewährleistet werden.
* Die Studie «Schweizer Stiftungswesen im Aufbruch – Impulse für ein zeitgemässes Mäzenatentum» kann auf der Webseite von Avenir Suisse kostenlos heruntergeladen werden.