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Ein Jahrhundertvertrag mit Afrika

Wie Deutschland und die EU eine neue Zusammenarbeit gestalten.

 

Nur 14 Kilometer trennen Europa von Afrika, über der Meerenge von Gibraltar kann man das Rif-Gebirge in Marokko sehen. Es ist höchste Zeit, dass wir unserem Nachbarkontinent auch menschlich, politisch und wirtschaftlich näherkommen. Die Aussichten dafür standen nie besser: Die afrikanischen Staaten wollen mit uns enger zusammenarbeiten. Afrikas Volkswirtschaften sind rasant gewachsen, bis 2050 wird seine junge Bevölkerung das grösste Arbeitskräftepotenzial der Welt stellen. Der Kontinent bietet Chancen, die in Europa noch viel zu wenig wahrgenommen werden.

Schwerpunkte einer neuen Zusammenarbeit

Es ist an der Zeit für eine neue Form der Zusammenarbeit mit Afrika – für einen Jahrhundertvertrag auf Augenhöhe. Die EU will die afrikanisch-europäischen Beziehungen mit dem Folgeabkommen für den 2020 auslaufenden Cotonou-Vertrag auf eine neue Grundlage stellen, Deutschland wird in seiner aktuellen EU-Ratspräsidentschaft dazu klare Akzente setzen. Im Zentrum einer neuen Partnerschaft müssen folgende Themen stehen:

Erstens: Ernährung.

Ziel eines neuen Vertrags muss es sein, die afrikanische Landwirtschaft produktiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu gehört auch, dass wir Europäer unsere eigene Agrarpolitik umsteuern: Die EU muss endlich die verbliebenen Zölle und Quoten vor allem für Agrarprodukte aus Nordafrika abschaffen.

Zweitens: Faire Handelspolitik.

Afrika ist weit mehr als ein Kontinent der Rohstoffe, bislang fehlt es allerdings an Wertschöpfung vor Ort. Statt zum Beispiel rohe Kaffeebohnen nach Europa zu exportieren, sollte die Verarbeitung von der Röstung bis zur Veredelung und Verpackung viel stärker vor Ort stattfinden. Das würde auch den innerafrikanischen Handel stärken. Die neue Panafrikanische Freihandelszone kann den entscheidenden Schwung bringen – sie ist mit mehr als 1,2 Milliarden Menschen die grösste der Welt. Europa sollte die Abschaffung der Binnenzölle in Afrika mit einem ehrgeizigen Fahrplan hin zu einem fairen Freihandelsabkommen unterstützen. Dabei muss sichergestellt werden, dass soziale und ökologische Mindeststandards, wie das Verbot von Kinderarbeit, bei der Produktion zur Norm werden.

Drittens: Private Investitionen.

Für Handel und Wertschöpfung braucht es Unternehmen, die in Afrika verantwortungsvoll investieren. Derzeit machen sich vor allem chinesische und russische Investoren die Gründerstimmung zunutze; europäische Unternehmen müssen Anschluss halten! Um Anreize für Investitionen afrikanischer und europäischer Unternehmen zu schaffen, hat Deutschland einen Entwicklungsinvestitionsfonds mit bis zu einer Milliarde Euro aufgelegt. Jede Investition setzt allerdings voraus, dass die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmen­bedingungen stimmen: Bürokratische Hürden, schlecht funktio­nierende Institutionen, Korruption und Misswirtschaft behindern noch viel zu oft Investitionen. Die EU sollte starke Anreize für Reformen setzen – und Eigenverantwortung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und den Kampf gegen Korruption noch viel gezielter fördern. Deutschland geht mit seinem Marshallplan mit Afrika genau diesen Weg.

Viertens: Klima und Energie.

Ob wir die Erderwärmung stoppen können, entscheidet sich massgeblich in Afrika: 600 Millionen Menschen besitzen noch keine Steckdose. Bekämen sie alle Strom auf Basis von Kohle, müssten in Afrika hunderte Kohlekraftwerke gebaut werden. Keine noch so ambitionierte Klimastrategie in Europa könnte das kompensieren. Die Antwort muss daher eine ehrgeizige Technologieoffensive für erneuerbare Energien in Afrika sein. So schaffen wir Arbeitsplätze und leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Das ist auch eine Investition in unsere eigene Zukunft. Gerade Unternehmen aus Deutschland oder der Schweiz können sich mit ihrer Kompetenz bei Wasser-, Solar- und Bioenergie gewinnbringend engagieren: In der marokkanischen Stadt Ouarzazate errichten wir etwa die erste grosstechnische Anlage, um mit der Sonne Afrikas günstig grünen Wasserstoff und Methanol zu produzieren.

Ein Jahrhundertvertrag dieser Grössenordnung lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Das Wichtigste ist der politische Wille auf beiden Seiten. Eines ist heute schon klar: Profitieren werden wir alle!

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