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Ein Glas Wein  mit Susi Köpfli
Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Wein
mit Susi Köpfli

Susi Köpfli ist Papeteristin in Olten.

Susi Köpfli begann ihre Lehre als Papeteristin 1965, und nun, 52 Jahre später, ist sie noch immer da – zusammen mit einer Mitarbeiterin und ihrem heutigen Geschäfts- und Lebenspartner führt sie «die traditionsreichste Papeterie in Olten», wie es auf der Webseite heisst. Zurück ins Jahr 1968: mit der schriftlichen Einwilligung ihrer Eltern heiratet die ausgelernte Lehrtochter Roman Köpfli junior. Als die beiden gemeinsam das Geschäft vom Senior übernehmen, ist sie 18, er 28. Von Mai 1968 bis Februar 1972 kommen in rascher Folge drei Kinder auf die Welt. Ab 1980 ist das Geschäft in seiner Blütezeit: «Wir konnten in dieser Zeit drei Häuser kaufen und besassen so ein Mietshaus, eine Druckerei und eine Papeterie mit 270 Quadratmetern Verkaufsfläche, zehn Mitarbeitern und drei Lehrlingen», erzählt Susanne Köpfli. Ab 1989 beginnen die schwierigen Jahre: Die Häuser gehen verloren, Schulden türmen sich auf. 2007 erkrankt Roman Köpfli an Krebs und stirbt. «Ende Jahr stand ich da mit fünf Angestellten und einem länger laufenden Mietvertrag. Mein Mann und ich waren eben sehr risikofreudig und hatten viele Investitionen getätigt», sagt Köpfli, die zu dieser Zeit jede Lieferung aus der Ladenkasse bezahlen musste, schulterzuckend. «Damals haben mir alle angeraten, den Schlüssel abzugeben und Konkurs zu machen. Doch ich habe 21 Lieferanten persönlich um eine Schuldreduktion ersucht. Dass mir die Lieferanten und auch die Behörden damals entgegengekommen sind, werde ich nie vergessen.» Zweieinhalb Jahre nach dieser «allerschwärzesten Zeit» lernte sie ihren jetzigen Partner kennen, im eigenen Laden. Im Schaufenster sind Schachteln und Füllfederhalter ausgestellt. Davor stehen Ständer mit Postkarten und Pferdekalendern. Im Laden gibt’s Packpapier für 60 Rappen und Büttenpapier für 2 Franken zu kaufen. Wenn jemand hereinkommt, erklingt das Windspiel über der Tür. Sonst ist es still, nur die vorbeifahrenden Autos hört man ab und zu. In der kurzen Zeit, in der ich da bin, wird ein Haushaltsbuch für 8.40 Franken verkauft, ein PVC-Band für 5.40 Franken und ein Paket Bostich-Heftklammern für 1.80 Franken.

Zum Mittagessen gehen wir nur ein paar Schritte, ins Hotel-Res-taurant Astoria. Beim Blick auf die Weinkarte liebäugelt Köpfli zunächst mit einem argentinischen Wein, entscheidet sich dann aber für den einfachen italienischen Klassiker. Die gute Laune und ihre positive Sicht auf die Welt hat sich Frau Köpfli von ein paar Rückschlägen nicht verderben lassen: «Ich bin seit drei Jahren AHV-Empfängerin, aber ich muss weiterarbeiten. Als mein Mann gestorben ist, haben mir zwei Freunde ein Darlehen gewährt. Und diese Schuld zahle ich monatlich zurück. Mein Ziel ist es, mit 71 schuldenfrei zu sein», sagt sie und lacht. Als Unternehmerin brauche es so oder so viel Disziplin: «Ich kann ja um 6.15 Uhr, wenn ich aufstehe, nicht sagen, dass ich heute keine Lust habe.» Ausgenommen Samstagabend, Sonntag und Montag steht sie jeden Tag von 8 bis 19.10 Uhr im Laden. Ferien macht sie drei Wochen im Jahr, jeweils Anfang Mai, so dass die Mitarbeiterin den Laden führen kann. Und wie ist die Zusammenarbeit mit den Behörden? «Ich möchte die Leute ja nicht beleidigen, aber ich würde sagen: Die arbeiten am Puck vorbei. Die sollen doch mal vorbeikommen und schauen, wie es wirklich ist.» Es sei ein Glück, dass sie mit Papier handle und nicht etwa mit Käse, denn die kantonalen Vorschriften und Auflagen nähmen ständig zu. Die autofreie Innenstadt und die teuren Parkplätze vor dem Ladenlokal hätten zu einem bedeutsamen Umsatzrückgang geführt. Neben den grossen Warenhäusern bestehe eine besondere Konkurrenz für eine Papeterie heute in Form von Non-Profit-Gesellschaften wie Behindertenwerkstätten, also staatlich subventionierten Betrieben, die selbst Handel treiben. Früher habe sie sich noch engagiert bei der IG Altstadt und bei Olten Gewerbe, doch heute könne sie sich mangels Zeit kaum noch einbringen. «Wer hat denn noch die Zeit, in die Kantonsparlamente zu gehen? Sicher nicht die kleinen Gewerbetreibenden.»

Wein: Villa Antinori Rosso, Toscana, 2013 (Sangiovese, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah)

 

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