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Ein Glas Wein  mit Roland Bartholet
Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Wein
mit Roland Bartholet

Roland Bartholet ist VR-Präsident der Seilbahn-Baufirma BMF in Flums.

Heute ist das erste Mal, dass wir vom «Monat» einen Unternehmer zu einem Glas Wein einladen – es werden weitere folgen –, und so viel gleich zu Anfang: was für ein Glücksfall. Wir sitzen bei der BMF in Flums auf Sesseln, der Regen rinnt die bodentiefe Fensterfront hinab, dahinter strecken sich die Berge des Sarganserlands, die Häupter mit Nebelschwaden behangen wie mit Girlanden. Schon nur diese Aussicht! Aber darum geht es jetzt nicht, sondern darum, dass dieses Unternehmen so typisch ist für alles, was funktioniert in der Schweiz, dass die Welt für einen Moment heil ist. Ach, dazu etwas noch: wir sind hier, weil wir uns aufgedrängt haben, nicht etwa andersherum. Wenn man als Journalistin schon mal so freundlich ist. Aber jetzt öffnen wir erst mal den Wein.

«Es gibt ein Bild von mir, da bin ich drei Jahre alt und schraube etwas in der Werkstatt herum», sagt Roland Bartholet. «Es war sehr früh klar, dass ich sie mal übernehmen würde.» Sein Vater hatte die kleine Seilbahn-Baufirma in den 1960ern gegründet und begonnen, die nah gelegenen Skigebiete der Ostschweiz zu beliefern. Während die Söhne heranwuchsen, gedieh auch das Geschäft; langsam, aber stetig. Man lieferte jetzt auch ins Wallis, baute eine neue Werkhalle, die erste Sesselbahn der Schweiz, einen Generatorwagen für die Swissair.

Der Wein, man muss es leider sagen, schmeckt zu Anfang sauer. Der muss atmen. Diese Berge vor dem Fenster säumen das Seeztal bis hinunter zum Walensee, geradeaus weiter käme man zum Zürichsee und weiter nach Zürich. In unserem Rücken bei Sargans trifft es quer auf das Rheintal auf seinem Weg von Chur bis zum Bodensee. Ein mächtiges Dreieck. Man könnte mit dem Boot bis nach Rotterdam fahren.

Als junger Mann lernte Roland Bartholet Maschinenmechaniker, danach arbeitete er tagsüber im Betrieb und liess sich am Technikum zum Ingenieur ausbilden. Als er fertig war, überliess ihm der Vater den Geschäftsbereich Maschinenbau. Hat er nie gezögert? Die Verantwortung gefürchtet? Darauf sagt Bartholet, was viele Unternehmer sagen: dass man sich nicht aufhalte mit dem, was irgendwann sein könne. Sondern tue, was zu tun sei. «Ich kannte ja diese Werkstatt, ich arbeitete mit den Leuten.» Schwierig sei es erst später geworden, als das Unternehmen eine ausgebaute Führungsstruktur brauchte und Bartholet CEO wurde. «Wenn man nicht mehr direkt bei den Leuten sein kann, das ist am Anfang nicht einfach.»

Als Bartholet in die Firma einstieg – auch der Vater und der Bruder wirken bis heute mit –, hatte sie zwei Dutzend Mitarbeiter. Heute, knapp 30 Jahre später, beschäftigt die BMF AG weltweit rund 300 Mitarbeitende, zwei Drittel davon hier in Flums. Die verschiedenen Firmen der Gruppe bauen Seilbahnen, Kabinen, Bahnen für Vergnügungsparks und Maschinen. BMF AG hat eine Sesselbahn in Chile gebaut, eine Wasserbahn in New York, die weltweit grösste Wildwasserbahn in Shenzhen. Der wichtigste neue Wachstumsmarkt sind Seilbahnen in Städten, insbesondere in Schwellenländern – bis zur Hälfte des Umsatzes, schätzt Bartholet, werde man in ein paar Jahren damit verdienen. Im hochspezialisierten Seilbahnengeschäft hat die BMF weltweit nur zwei Mitbewerber, die österreichische Doppelmayr und Leitner aus Südtirol. Das ist es, was diese Firma so repräsentativ macht für die Schweizer Industrie: kein anderes Land hat auf kleinem Raum so viele Weltmarktführer in der Nische. Vergleichbar sind die deutschen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg.

Der Wein schmeckt jetzt wärmer und weicher. Zum Glück. Wenn man so viel im Ausland unterwegs sei wie er, sagt Bartholet, sehe man, wie gut die Schweiz funktioniere. Weil man miteinander arbeite, nicht gegeneinander. «Vor allem aber haben wir wirklich hervorragend ausgebildete Leute.» Als der Frankenkurs in die Höhe schnellte, bat er seine Angestellten, jede Woche zwei Stunden mehr zu arbeiten und auf einen Bonus zu verzichten. «Innert zwei Tagen hatten alle die Verträge unterzeichnet.» Jeder einzelne der 300, ohne zu zögern. Als sich der Betrieb schneller als erwartet erholte, reduzierte Bartholet die Arbeitszeit wieder. Er erzählt es nebenbei. «Das ist eben wichtig», sage ich. «Das ist selbstverständlich», sagt er.

Wein: Ferdinando Giordano: Primitivo Rinforzato Rosso (Puglia IGP, 2014).

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