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Ein Glas Wein
mit Martin Eichenhofer

Martin Eichenhofer ist Maschineningenieur, Ökonom und Co-Founder des Start-ups 9T Labs, Zürich.

Extrem hart und unglaublich leicht, dabei formbar, widerstandsfähig und erschwinglich – ein Mate­rial, das so viele verschiedene Anforderungen erfüllt, haben amerikanische Weltraumforscher einst scherzhaft Unobtainium genannt, also auf Deutsch in etwa: Unbeschaffbarium. Drei ETH-Absolventen könnten uns dieser begehrenswerten Substanz dank eines 3D-Druckers für Carbonteile nun ein Stück näher bringen. Ihr Start-up 9T Labs hat seinen Sitz in den Räumlichkeiten des Technoparks Zürich, in direkter Nachbarschaft zu weiteren ETH-Spin-offs. Dort, im Einsteintrakt, treffe ich Maschineningenieur, Ökonom und Jungunternehmer Martin Eichenhofer, der mich engagiert und beredt durch die Laborräume führt. Wie in vielen Ingenieurwerkstätten verströmen hier Proto­typen, Hardware, Bauteil- und Werkzeughäufchen einen geschäftigen Männer-WG-Charme.

Carbon, die Kurzform für einen Verbundwerkstoff aus Kohlenstofffasern und Kunststoff, ist fester als Stahl und Aluminium, allerdings sehr viel leichter, und bietet sich daher als Material für Bauteile aus der Medizintechnik und Robotik, insbesondere aber der Flug- und Weltraumfahrt an. Die meisten Flugzeuge, die heute entwickelt werden, sind carbonfaserverstärkt. Das Material selbst gibt es schon seit dreissig Jahren, allerdings waren Herstellung und Verarbeitung technisch bisher sehr aufwendig, ergo: teuer. Das will die Crew von 9T Labs ändern. Ihr 3D-Druck-Verfahren ermöglicht es, auch komplexe Formen am Stück zu verfertigen – und ihr Vorhaben scheint anzukommen: Im letzten Jahr hat sich die AG Investitionen von mehr als einer Million Franken gesichert und wurde von der europäischen Weltraumbehörde in ein Förderprogramm aufgenommen. Mittlerweile sind die ersten fünfundzwanzig Einheiten ausgeliefert, das Team, das sieben Nationalitäten vereint, ist auf vierzehn Mitarbeiter angewachsen. Gute Leute seien schwer zu finden, meint Eichenhofer, und ausserdem sei es in der Schweiz ausgesprochen umständlich, indische oder amerikanische Spezialisten etwa auf dem Gebiet Softwareentwicklung anzuheuern.

Sowohl was die Entwicklung ihres Produkts als auch dessen künftige Reichweite anbelangt, setzen sich seine Kollegen und er hohe Ziele. Um die Festigkeit der Carbonbauteile zu erhöhen, werden einzelne Lagen aus Kohlenstofffasern in verschiedene Richtungen verlegt. Noch muss dieses Muster derjenige festgelegen, der den 3D-Drucker bedient, in etwa zwei Jahren allerdings soll die Software von 9T Labs in der Lage sein, die optimale Anordnung für eine bestimmte Form selbständig zu finden. Die Bauteile sollen zudem noch einmal um gut 50 Prozent leichter werden und die Produktionskosten dank Automatisierung so weit sinken, dass die Drucker seriell produzieren können.

Um für diese Weiterentwicklungen Investoren zu gewinnen, war Eichenhofer eine Woche zuvor im Silicon Valley. «Reiche Menschen, die hunderttausend Franken in eine gute Idee investieren, gibt es in der Schweiz viele», erklärt er, während wir, mittlerweile in der Küche angelangt, dem Rotwein zusprechen. Sehr viel schwieriger seien zweite Finanzierungsrunden, die es einem Unternehmen erlauben, sich fest zu etablieren, also das sogenannte «Valley of Death» zu überwinden. Viele Projekte scheitern genau dann, wenn der Zuwachs an Personal und Infrastruktur die Fixkosten erhöht, während weitere Zuschüsse erst wieder wahrscheinlicher werden, wenn sich ein Jungunternehmen bewiesen hat. An der ETH gebe es ein dichtes Netzwerk, das einen bei Entwicklung und Start unterstütze, in der Lücke danach gingen aber nicht selten auch vielversprechende Start-ups unter. Dementsprechend eng ist der Zeitplan getaktet, der über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Eichenhofer hofft, in fünf Jahren im dreistelligen Millionenbereich zu operieren, denn Carbon sei auf jeden Fall ein Material für die Zukunft: nicht nur sehr vielseitig, auch gut recyclebar und dank langem Lebenszyklus ressourcenschonend. Gerade Nachhaltigkeit, das habe er während seines Besuchs im Silicon Valley wieder beobachtet, sei ein Faktor, der auch für Start-ups noch sehr wichtig werden dürfte.

Wein: Castello Banfi, «Brunello di Montalcino», Toscana, 2013 (Sangiovese)

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