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Ein Glas Wein  mit Marcel Steiner
Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Wein
mit Marcel Steiner

Marcel Steiner ist Verleger und Inhaber des Verlagshauses Schwellbrunn.

Marcel Steiner empfängt mich im ersten Stock des ehemaligen Schulhauses «Im Rank» in Schwellbrunn AR. Hier reihen sich die Arbeitsplätze für die dreizehn Mitarbeiter des Verlagshauses Schwellbrunn: Lektorat, Korrektorat, Typografie, Grafik und Bestellwesen für Appenzeller Verlag, orte-Verlag, Toggenburger Verlag und edition punktuell. Vor drei Jahren hat Marcel Steiner nach 21 Jahren als angestellter Verlagsleiter des Appenzeller Verlags den Management-Buy-out gewagt – gemeinsam mit seiner Frau Yvonne Steiner. Jüngster Zuwachs ist der orte-Verlag, in dem die Steiners die jahrzehntelange Literaturarbeit Werner Buchers fortführen.

Im Verlagsladen zeigt sich die Breite der Produktpalette: Literarisches, Wanderbücher, appenzellische Regionalia, diverse Zeitschriften, Fotokalender und vieles mehr. «Bei uns erscheint auch der Appenzeller Kalender – seit 1721. Es ist eines der am längsten ununterbrochen erscheinenden Printprodukte der Schweiz», sagt Steiner stolz. An der Wand hängen Ausgaben aus dem Jahr 1780, die man nach wie vor bestellen kann. «Wenn das mal keine Backlist ist!» Nicht ganz so alt ist der Wein, den ich mitgebracht habe. Nach der Kurzführung, zurück in der verlagseigenen Gaststube, beschnuppern wir ihn – die Nase macht durstig, nein: neugierig.

«Ich halte es ja mit Tschechow», sagt Steiner nach dem ersten Schluck, «ich kenne nur Bücher, die ich mag, und die, die ich nicht mag. Dasselbe gilt für Wein.» – Der Saint-Émilion ist gefällig und gleichzeitig eindrücklich, rund, mit kräftigen Tanninen, macht Freude. Ich frage Marcel Steiner, wie er dazu gekommen sei, mit sechzig einen Verlag zu kaufen. «Ich habe den Appenzeller Verlag 21 Jahre lang aufgebaut, damals noch als Angestellter. Und dann hiess es: du kannst jetzt noch bei der Liquidation helfen. Dann ist Schluss. Das kam für mich nicht in Frage.» Dass das wagemutig sei, wende ich ein, in einer Branche, in der alle so gebannt vor dem Medienwandel stehen, wie die Maus vor der Schlange hockt. Darauf angesprochen, lehnt sich Steiner zurück und trinkt Wasser. «Ich finde, man darf nicht nur rumsitzen, sondern muss etwas tun.» Ideen haben, Neues probieren. Etwa den «Mecktig», den Markttag (will heissen: Mittwoch), an dem die Kunden des Buchladens mit einem Glas Wein in der Gaststube oder im Garten die gute Schwellbrunner Luft geniessen und nach Herzenslust lesen können vor ihrem Bücherkauf. Oder Ausstellungen, die man zusammen mit einem Floristen mache, der zeige, was mit Phantasie, Erde, Pflanzen und alten Büchern alles gemacht werden könne. «Dann brummt es hier nur so vor Leuten», erzählt Steiner. Trotzdem sei das nicht gerade jene Art von Altersvorsorge, von der man landläufig rede – so kurz vor der Pensionierung mit grossem Risiko in den Literaturbetrieb einzusteigen. Mit diesem Begriff habe er Mühe. «Natürlich sind alle aufeinander angewiesen, die Verleger auf die Buchhändler und alle zusammen auf die, die die Bücher schreiben oder drucken oder was auch immer. Aber ich sehe mich eigentlich nicht als Teil des Literaturbetriebs.»

Ob er seinen Entscheid manchmal bereue, will ich wissen. «Nein», erwidert er. «Und würden Sie es einem jungen Menschen empfehlen, in die Branche einzusteigen?» – Ein weiterer Schluck Wein, dann: «Natürlich empfehle ich niemandem, Drucktechnologe zu werden. Aber in einem Verlag zu arbeiten, rund um Bücher und Zeitschriften herum sein, klar, sicher. Das ist doch toll! Ich bin hier vom Sichten der Manuskripte über den Kontakt mit den Autoren bis hin zu Fragen der Betriebsoptimierung auf allen Ebenen gefordert. In einem kleinen Betrieb sind Ideen gefragt!» Er macht eine kurze Pause, schwenkt das Glas. «Bei grossen Verlagshäusern können Sie nicht so viel gestalten. Wenn ich nur schon daran denke, wie viel Zeit ich an Sitzungen rumgesessen bin…» – Mit einer Powerpoint-Präsentation kann man Marcel Steiner also schon mal ganz sicher keinen Eindruck machen. «Wir haben kaum je Sitzungen. Ich will, dass meine Leute Freude an der Arbeit haben. Einige sind schon seit Jahren dabei – mit denen bin ich seinerzeit sogar an die Frankfurter Buchmesse gereist.» «Wieso sind Sie denn als Appenzeller Regionalverlag dorthin gefahren?», wundere ich mich. «Frankfurt interessierte uns einfach. Nach zwei-, dreimal war jedoch damit Schluss.» Dieses Geld sei anderweitig besser angelegt. Beispielsweise im verlagseigenen Weinkeller, lacht er.

Wein: Anabelle Cruse-Bardinet, «Château Corbin», Saint-Émilion Grand Cru Classé, 2011 (Merlot, Cabernet Franc)

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