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Ein Glas Wein  mit Christoph Birkholz
Christoph Birkholz ist Mitgründer und Managing Director des Impact Hub Zürich. Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Wein
mit Christoph Birkholz


Ist es ein gutes Zeichen für die Investitionskultur eines Standorts, wenn dir nach einem mehrstündigen Gespräch mit potentiellen Geldgebern einer von ihnen am Schluss sagt: «Zwar hab ich noch immer keinen blassen Schimmer, was ihr eigentlich vorhabt – aber der Spirit stimmt. Wir sind dabei!»? Ja, doch, muss man sagen, wenn man mit Christoph Birkholz spricht. Der heute 34jährige Mitgründer des Impact Hub Zürich, des grössten Hubs in einem weltweiten Netzwerk von über einhundert, kam mit knapp 5000 Euro auf dem Konto vor neun Jahren in die Schweiz. Heute haben seine Unternehmen rund 60 Mitarbeiter, der Hub über eintausend assoziierte Mitglieder und aus ihm sind mehrere hundert Start-ups hervorgegangen. Im Herzen von Zürich hat die seither entstandene Community drei florierende Co-Working-Spaces gebaut – darunter auch das Innovationszentrum «Kraftwerk» im ehemaligen ewz-Unterwerk Selnau.

Alles begann im «Pott»: «Bochum», sagt Christoph trocken, als ich nach seinem Dialekt frage. Tief im Westen, also, und in der «Region mit der höchsten Arbeitslosenquote Westdeutschlands». Seine ersten Schritte im Berufsleben machte Birkholz bei Aral und BP. «Sechzehn von siebzehn, die ihre Ausbildung dort abgeschlossen hatten, blieben», Christoph ging. «Mir wurde klar: Grossunternehmen sind nichts für mich. Man ist einer von vielen, die Wege sind lang, Veränderungen brauchen noch länger…» Christoph schrieb sich an der Uni Witten-Herdecke ein, lernte viel über Wettbewerb als Entdeckungsverfahren und erhielt schliesslich das Angebot, eine Dissertation in St. Gallen zu schreiben. «Ich habe nicht lang überlegt, packte alles, was ich hatte, in einen Renault Kangoo und fuhr in die Schweiz.» Und zwei Tage später, die Lampen in seinem neuen WG-Zimmer hingen noch nicht, lernte er seine zwei späteren Mitgründer kennen.

Wenn Christoph von der Anfangszeit erzählt, klingt er wie ein kleiner Junge. Er berichtet von Waghalsigkeiten beim Umbau, gemachten Fehlern, gerissenen Finanzierungsdeadlines – aber all das, sagt er, sei unverzichtbar für den Erfolg eines neuen Projekts, so etwas könne einem kein Studium beibringen, so etwas müsse man mitmachen, nein: machen. Denn: Christoph ist Macher. Bloss, frage ich, wie wird man denn als nahezu mittelloser Doktorand dazu? Den Kangoo verpfänden? «Einen Verein gründen!», sagt Christoph. «Dazu brauchst du nicht viel Kapital – und findest in der Schweiz dann auch die richtigen Leute, die dein Projekt unterstützen.» Eine Crowdfundingrunde finanzierte den ersten Teil der anstehenden Professionalisierungskosten, dann, sagt Christoph schmunzelnd, habe er sich «an den Panda verkauft»: die erste grössere Förderung für den Hub kam vom WWF. Später stiegen unternehmerfreundliche Stiftungen ein, und 2015 spannte man mit dem Konkurrenzhub Colab zusammen. «Ich dachte: Das passt! Wir, die Sozialunternehmer, wollten einen Ort gestalten, wo Unternehmer zusammenkommen, um die Welt zu retten.» Christoph lacht laut, nimmt einen Schluck Wein. «Und sie waren die Techies, die das Know-how hatten, um konkrete Produkte zu lancieren.»

Das Zustandekommen des Impact Hub, sein Erfolg, baut auf demselben Prinzip auf, den das Unternehmen als Dienstleistung anbietet: Vernetzung, Synergiesuche, Zusammenarbeit – heute auch mit Grossunternehmen. Gerade bringt er ein Buch mit Kickstart Accelerator und digitalswitzerland heraus, das die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und grossen Organisationen beleuchtet. Die Standortfaktoren in der Schweiz seien hervorragend: «Die Verlässlichkeit des Schweizer Systems war und ist viel Wert», Ärger bereiten ihm in jüngster Zeit die unternehmerfeindlichen Initiativen, vor allem wenn es um Rekrutierungsgrenzen für Ausländer gehe. «Die Schweiz muss endlich Start-up-Visa einführen. Steuer-erleichterungen für Grossunternehmen sind viel weniger nachhaltig als der Aufbau einer Wertschöpfungskette, die auf die grössten Talente und Ideen baut.» Ausserdem wünschte er sich, die Start-up-Szene würde nicht nur mit Venture Capital gesegnet, um dann früh und für viel Geld ihr erworbenes Know-how zu verkaufen, sondern auch in Richtung organisches KMU-Geschäft wachsen. «Für mich geht es darum, die Wertschöpfung zu erhöhen. Wenn dieses Land erfolgreich sein will, brauchen wir einen Deep-Tech-Cluster von weltweiter Ausstrahlung.» Und das, so Christoph vor dem Absprung zu seinem nächsten Termin lächelnd, rette dann «nicht nur die Welt», sondern auch den Standort.

Wein: Château Pichon-Baron, «Les Tourelles de Longueville», Pauillac, 2014 (Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Merlot).

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