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Ein Glas Wein  mit Adrian Wiedmer
Illustration: Matthias Wyler / Studio Sirup.

Ein Glas Wein
mit Adrian Wiedmer

Adrian Wiedmer stellt mit der Gebana AG Biowein her.

Seit seinem achtzehnten Lebensjahr macht Adrian Wiedmer Biowein, und er hat einen der erfolgreichsten Unihockeyclubs der Schweiz, Alligator Malans, mitgegründet – beides, so sagt der gebürtige Bündner, als er im Sitzungszimmer der von ihm geführten gebana AG in Zürich eine Flasche Wein öffnet, habe mit seiner heutigen Arbeit zu tun: «Damals war ich ein echter Öko-Fundi. Von Unternehmen, Märkten oder Handel hielt ich nichts.» Geändert habe sich das, als er mit Aufklebern für besagten Club einen kleinen Verdienst erzielte. «Damals war Unihockey neu und ich der einzige, der diese Sticker herstellte – sie fanden reissenden Absatz. Weil ich ungenutzte Potenziale, Anbieter und Nachfrager, effizient miteinander verbinden konnte. Heute leite ich eine Firma, die 600 Arbeitnehmer hat, über 90 Prozent davon auf der südlichen Halbkugel der Welt – aber im Prinzip mache ich weiterhin dasselbe.»

Die gebana startete als Verein in der Ostschweiz, wurde 1998 zur Aktiengesellschaft und gilt als Pionierin bei der Erstellung nachhaltiger globaler Handelsketten für Lebensmittel. «Weltweit ab Hof» lautet ihr Claim: Geschäftsmodell ist das Direktmarketing zwischen Produzent und Endkunde. Man eröffnete den ersten Online-Handel für biologisch angebaute und fair gehandelte Lebensmittel in der Schweiz und hat jüngst den Versuch gewagt, eine überschuldete Tochterfirma in Burkina Faso per Crowdordering zu sanieren. Das Mindestziel von 500000 Franken ist schon erreicht, was den Versuch zur grössten solchen Aktion der Schweiz macht.

Der Pinot Noir aus dem Klettgau ist unfiltriert nach demeter-Standards gemacht, aber nicht sein eigener, wie Wiedmer sagt. Wir stossen an, und dann frage ich den CEO, was denn seiner Meinung nach am «fairen Handel» fairer sei. «Weniger, als man denkt», antwortet Wiedmer, «Fair Trade ist nicht per se ‹gerechter›, die Margen ähnlich wie im Detailhandel.» Das Marketing der grossen Player suggeriere, beim Kauf von Fair-Trade-Produkten käme am Ende viel mehr Geld pro Banane bei den Bauern an, das Marketing der Pioniere umgekehrt, dass konventioneller Handel stets zum Nachteil letzterer sei. «Das stimmt so nicht.» Trotzdem gehe natürlich das Engagement der Branche weit über das vieler Händler hinaus. Ein Schlüssel für die Arbeit von gebana, sagt Wiedmer, sei die Effizienz, auch und gerade im Hinblick auf die eigene Online-Plattform: «Kunden können Lebensmittel hier schon vor der Ernte bestellen. Versendet werden sie direkt nach derselben, was den logistischen Aufwand minimiert.» Derweil gehe das Unternehmen bei den Produzenten über Investitionen in Vorleistung. «Das Risiko liegt bei uns, anders als bei den meisten Händlern: gibt es ein Problem, zieht deren Einkäufer einfach weiter – oft der sichere Ruin für den Bauern.»

Die Schweiz sei ein Pionierland in Sachen Nachhaltigkeit, gerade bei Lebensmitteln, sagt Wiedmer. «Heute wollen in der Schweiz mehr Menschen denn je bewusst einkaufen. Einerseits achtet man hierzulande traditionell mehr darauf, was man konsumiert, und die lange Handelstradition sorgt für innovative Firmen und Offenheit der Konsumenten. Wenn wir nun die günstigen Standortfaktoren nutzen, indem wir die steigenden Kundenbedürfnisse bedienen und gleichzeitig vor Ort das unternehmerische Risiko minimieren, so erzeugen wir direkt Wirkung.» Sich nur über ungleiche Verhältnisse zu beklagen, ändere hingegen nichts: «Viele von uns haben die 1:12-Initiative unterstützt, aber nicht daran gedacht, dass wir firmenintern mindestens ein 1:100-Problem bei den Salären haben – die ‹100› in Zürich, die ‹1› in der Verarbeitung in Afrika.»

Entwicklung und damit einhergehend ein Strukturwandel in der Landwirtschaft finde auch im Süden statt. «In Brasilien ist zum Beispiel die mühsame Handarbeit mit Hacke und Machete praktisch verschwunden, viele kleine Bauern haben heute Nebeneinkünfte und die grossen Bauern werden zu eigenen Unternehmern.» Dies und die Investitionen der Firma in Know-how, Infrastruktur und Maschinen an den Produktionsorten erhöhten die Wertschöpfung, hätten aber auch ihre Tücken, fügt Wiedmer augenzwinkernd hinzu. «Denn vielleicht haben die Partner nun schon bald andere Ziele als den Erhalt unseres vergleichsweise kleinen Business. Unfair, oder?»

Wein: Markus Ruch, «Hallau Chölle», AOC. Klettgau, 2012 (Pinot Noir)  

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