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Christian Sallmann, illustriert von Dunvek.

Ein Glas Wein mit

Christian Sallmann, ISA Sallmann AG, Amriswil

Den Wein lehnt Christian Sallmann höflich ab. Der frühe Nachmittag ist wohl auch nicht die beste Tageszeit dafür, zumindest für einen Unternehmer. Stattdessen bietet er einen Kaffee an. Gemeinsam mit seinem Bruder Thomas ­leitet er in Amriswil im Thurgau den Wäschehersteller ISA Sallmann AG mit der Marke ISA bodywear in siebter Generation. Der Sitz war von Beginn an am gleichen Ort. Im Laufe der Zeit wurden Gebäude erweitert und andere abgerissen. Im Keller ist ein Labyrinth von Lagerräumen, durch welche mich Christian Sallmann zielsicher leitet. In den Regalen stapeln sich Kisten mit Unterhosen, ­Pyjamas und Nachthemden. Als Kinder hatten sie hier unten Verstecken gespielt. Darüber im Erdgeschoss finden sich die Produktionshallen, ein Fabrikladen und noch einen Stock höher der Raum, in dem jeden Tag Lieferungen vorbereitet werden. Von hier gehen sie an über 600 Verkaufspunkte in Warenhäusern und bei Fachhändlern oder zu Privatkunden.

Die ISA Sallmann AG ist der letzte Wäschehersteller mit eigener Strickerei in der Schweiz. Der ­Standort ist dem Unternehmen sehr wichtig und soll definitiv beibehalten werden. Rund 50 von insgesamt 200 Mitarbeitern arbeiten in Amriswil. Der Rest arbeitet im eigenen Werk in Portugal, wohin das Nähen und ein Teil des Zuschnitts ausgelagert werden. Durch den Schweizer Standort und die Produktionsstätte in Portugal sind die Lieferketten relativ kurz und gut kontrollierbar. Das Garn kommt von europäischen Spinnereien.

Auf Unterschiede bezüglich Regulierungen und Behörden angesprochen holt Christian Sallmann weit aus: Es gebe berechtigterweise eine gewisse Regulationsmüdigkeit in der Schweizer Öffentlichkeit, die Schweiz schneide jedoch immer noch gut ab, gerade auch im Vergleich mit Portugal. Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung benötige dort viel mehr Zeit. So dauerte es beispielsweise sehr lange, Christian Sallmann für das Werk in Portugal als Geschäftsführer eintragen zu lassen. Auch sonst sind die Schweizer Behörden schneller. Die ISA Sallmann AG musste in der Coronakrise glücklicherweise keine Notkredite beanspruchen. Dass solche Anträge oder jene zur Kurzarbeit jedoch schnell bearbeitet wurden, sei nicht selbstverständlich. Auch das Arbeitsrecht sei in der Schweiz liberaler als in Portugal.

Schwierigkeiten gäbe es hierzulande bei der Anwerbung von Arbeitskräften. In den Textilberufen müssten diese teils eigens angelernt werden, da man auf dem Arbeitsmarkt keine Ausgebildeten mehr finden könne. Mit flachen Hierarchien und einer familiären Unternehmenskultur versucht Sallmann, bei potenziellen Arbeitnehmern zu punkten. Darauf angesprochen, was die Schweiz besser machen könnte, spricht er über die Unsicherheit in der Beziehung zur EU. Auch lokal verankerte KMU seien abhängig von dem europäischen Binnenmarkt. Planungssicherheit ist da sehr wichtig. Innenpolitisch müsse die Schweiz wieder reformfähig werden und es schaffen, verschiedene Anspruchsgruppen für neue, bessere Lösungen zu gewinnen. Dabei könne man aber auch auf vielem Guten aufbauen, beispielsweise dem dualen Bildungssystem.

Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? Die ISA Sallmann AG hat wie viele Schweizer Firmen im Textil­bereich schwierige Zeiten durchgemacht, besonders in der Wirtschaftskrise der 70er-Jahre. «Mein Bruder und ich haben das Unternehmen letztes Jahr von unserem Vater übernommen, der es die vergangenen 35 Jahre geleitet hat. Wir haben ein grundsolides ­Unternehmen übernommen, welches gut positioniert ist mit der ­Marke im Schweizer Markt. Auf dem wollen wir aufbauen.» Dabei sollen neue Produktkategorien helfen.

Ein grosses Potenzial bietet die sogenannte Loungewear. Christian Sallmann erklärt: «Darin kann man schlafen, aber auch mal an den See oder schnell am Sonntagmorgen etwas an der Tankstelle holen gehen.» Gerade während der Pandemie gab es ein Interesse für solch vielseitige, bequeme Alltagskleidung. Auch kurze Lieferzeiten sind ein aktuelles ­Thema. Bei den sogenannten «Never-out-of-Stock-Artikeln» halten Kunden ihr Produkt innerhalb von 24 Stunden in den Händen, insofern die Bestellung vor 12 Uhr eingeht. Trotz Tradition und Geschichte fürchtet die ISA Sallmann AG sich auch nicht vor Modernem. Im Fabrikladen hat es Produkte, welche sich wohl am besten als Reizwäsche für Männer beschreiben lassen und höchstens das Mindeste bedecken. «Das tragen manche Leute heute», erklärt Sallmann lakonisch.


Wein: Maison Gilliard, «Dôle des Monts», AOC Wallis, 2019 (Pinot noir, Gamay).

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