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Philipp Wyser, illustriert von Dunvek.

Ein Glas Wein mit

Philipp Wyser, Wyon AG, Appenzell Steinegg.

 

Nein, einen Weltmarktführer im Bereich miniaturisierter, wiederaufladbarer Batterien insbesondere für Hörgeräte würde man an diesem Ort nicht erwarten. Das ländlich geprägte Steinegg, unweit des Hauptortes Appenzell gelegen, kann anders als das Baselbieter Waldenburgertal, das Waadtländer Vallée de Joux oder der andere Appenzeller Hauptort Herisau nicht mit einer Feinmechaniktradition glänzen. CEO Philipp Wyser, der das Unternehmen Wyon zusammen mit Vater Paul und Mutter Marie-Theres 1999 gegründet hat, weiss, dass der Standort für eine Technologiefirma ungewöhnlich ist. «Wir finden hier aber gute und motivierte Mitarbeiter, sind in der Region verankert, gehören in dem kleinen Kanton mit 160 Stellen zu den grösseren Arbeitgebern und Steuerzahlern, und die Behörden haben Verständnis für unsere Anliegen.» Dazu kommt der familiäre Hintergrund: «Ich bin zwar mit Eltern und Geschwistern im Baselbiet aufgewachsen, doch in den 1990er-Jahren zog es einen Grossteil der Familie nach Appenzell, der Heimat meiner Mutter.»

Und warum ausgerechnet Batterien? Paul Wyser war vor der Gründung von Wyon in führender Position bei der Swatch Group tätig. Dazu zählte auch das Unternehmen Renata, und als dieses vorschlug, Batterien für Mobiltelefone herzustellen, erteilte Swatch-Gründer Nicolas Hayek Paul Wyser den Auftrag, die Idee zu prüfen, da dieser früher bei Renata gewirkt hatte. Er stellte sich die Frage, ob es richtig sei, das zu tun, woran schon viele andere arbeiteten. Mit seinem Vorschlag, Anwendungen in der Gesundheitstechnologie zu suchen, blitzte er allerdings bei Hayek ab – und wagte stattdessen den Schritt in die Selbständigkeit.

Das Streben nach Eigenständigkeit prägt Wyon bis heute. Philipp Wyser hält zusammen mit anderen Familienmitgliedern den Grossteil der Aktien, der Rest liegt bei Kadermitarbeitern. Das Unternehmen hat auch kein Fremdkapital in der Bilanz. «Bei uns gibt es Projekte, die mehr als fünf Jahre dauern, bis wir produzieren können. Das ist einem externen Investor kaum zu vermitteln.» Deshalb wird der grösste Teil der Gewinne im Unternehmen belassen, so dass mit eigenen Mitteln gearbeitet werden kann. In der Tat steckt Wyon viel Ressourcen in den Bereich Forschung und Entwicklung. Er absorbiert momentan fast die Hälfte des Umsatzes sowie einen Drittel der Belegschaft. «Zurzeit sind viele Innovationen am Laufen», erklärt der CEO. Im Zentrum steht dabei das kontinuierliche Monitoring in der Medizin, Batterien für Glykosemesser oder Scannerkapseln als Ersatz für die unangenehmen Darmspiegelungen.

Eigenständig ist Wyon nicht nur in finanzieller Hinsicht: Alles ist in einem diskreten Fabrikgebäude zusammengefasst, die Maschinen werden selber entwickelt und gewartet, die IT verzichtet auf Cloud-Lösungen, Outsourcing ist ein Fremdwort, und ein grosses Lager war schon immer Pflicht. «Vor ein paar Jahren wurde unsere Lagerhaltung von Jurys bei Unternehmen-Awards als ‹totes Kapital› kritisiert», erinnert sich der CEO. In Zeiten weltweiter Lieferkettenunterbrüche zahlt sich die Vorsicht jetzt aus. «Aber auch wir spüren die Preissteigerungen bei Chemikalien oder der Elektronik und kämpfen damit, dass Komponenten für Maschinen nicht mehr lieferbar sind.»

Wyon verfügt über eine starke Marktposition: Bei den Batterien handelt es sich um Nischenprodukte, die niemand sonst so anbietet. Völlig preis­unsensibel sind die ausschliesslich ausländischen Kunden indes nicht. Muss der Vorteil, den die Wyon-Lösung bringt, zu teuer erkauft werden, bleiben sie bei der Standard­batterie. Allerdings ist die Nachfrage seit Jahren so gross, dass das Unternehmen kaum Marketing betreiben muss und trotz der harten Heimwährung meistens in Franken fakturieren kann. «Das Wachstumstempo haben wir bewusst gedrosselt, damit der Kern unserer Unternehmenskultur intakt bleibt», hält Phi­lipp Wyser fest.

Dass er bald ein Vierteljahrhundert seiner Schaffenskraft in Wyon gesteckt hat, bereut er nicht. «Ich wollte schon immer etwas mit Hand und Fuss machen und habe Freude daran, dies zusammen mit anderen Menschen zu tun.» Bis vor drei Jahren musste Wyon offene Stellen gar nicht ausschreiben; im kleinen Innerrhoden erfuhren Interessenten auch so davon. Heute ist aber hier der Fachkräftemangel ebenfalls spürbar. «Wir können nicht mit Zürcher Google-Löhnen mithalten», konstatiert der CEO, «doch unser Standort und unsere Firmenkultur weisen andere Vorzüge auf, und für die Mitarbeiter zählt nicht nur das Geld.»


Wein: Délival, «Le Petite Arvine», Wallis, 2018.

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