Ein Glas Wein mit
Martin Kürzi, Kürzi Kakao, Zürich.
Das Schönste am Verzehr hochwertiger Schokolade sei die kleine, aber besondere Freude, mit der dieser besondere Genuss den Alltag für einen Moment unterbreche: «Eine Tafel aus dem Premiumsegment ist eigentlich ein Stück Luxus, das man sich zwischendurch leisten kann», sagt Martin Kürzi, Mitbegründer von Kürzi Kakao, einer jungen Schokoladenmanufaktur aus Zürich, die in Schlieren produziert und sich in wenigen Jahren zu einem vielversprechenden Nachwuchsunternehmen in dieser Branche entwickelt hat.
Wir sitzen auf einer Bank vor MOON, dem Concept Store, den Kürzi Kakao im Herbst 2021 gemeinsam mit der White Rabbit Bakery – die sich auf skandinavische Backwaren spezialisiert hat – in Wiedikon eröffnet hat, und trinken schwarzen Kaffee; für mich gibt es noch eine vorzügliche Schokoladenschnecke dazu. Es gehe den beiden Partnern darum, der Kundschaft einzigartige Geschmackserlebnisse zu bescheren, die neu und innovativ seien und die zugleich etwas Rebellisches hätten, berichtet der Jungunternehmer (Jahrgang 1988), der in St. Gallen einen Bachelor in Business Administration gemacht hat und über die Liebe zur Schokolade fand. Angefangen hat alles in den USA, wo seine Ehefrau, die aus den Vereinigten Staaten kommt, die Kunst der «craft chocolate» erlernte. 2017 begann das Paar im Privaten, das Wissen praktisch werden zu lassen. Zwei Jahre später folgte schon die Produktion. Mittlerweile besteht das Team von Kürzi Kakao aus vier Personen, hinzu kommen nochmals sechs Angestellte bei MOON.
Die Kundschaft steuert den Laden zielgenau an, um sich hier per Take-away zu bedienen. Der Konsum ist hoch, in Zürich gibt es ausserdem eine Zahlungsbereitschaft für Qualität, was sich für die Produkte von Kürzi Kakao auszahlt, die auf hochwertigen Rohstoffen basieren. Im «Bean to Bar»-Bereich – wie das Marktsegment heisst, das von der Kakaobohne bis zur fertigen Tafel vor Ort und von Hand produziert – spreche sich Neues zudem schnell herum, wie Kürzi weiss, da sein Unternehmen sich zunächst mit Pop-up-Stores etablierte, die an diversen Stellen in der Stadt geöffnet hatten, bevor man sich für einen festen Verkaufsstandort entschied. Die relative Dichte an Start-ups in Zürich, die sich hierauf spezialisiert haben, ist kein Nachteil, weil sich die Produkte von Firma zu Firma erheblich unterscheiden. Die Frage, ob man es im «Schoggiland» schlechthin mit den Etablierten aufnehmen sollte, stellte sich aus demselben Grund nicht: Die Palette von Kürzi Kakao – im offenen Verkauf finden sich aktuell zwölf Sorten sowie sechs weitere, die verpackt sind – ist viel zu eigenständig und viel zu eigensinnig, als dass hier ein Konkurrenzverhältnis entstehen könnte. Bei den einen herrscht ohnehin ein traditionelles Verständnis von Schokolade vor, hier hingegen eines, das vom Anspruch auf Innovation ausgeht. Das zeigt sich bei den einzelnen Produkten, unter denen sich viele saisonale Kreationen finden, bisweilen auch Experimentelleres mit heimischen Blumen oder Füllungen aus gegenläufigen Zutaten – Miso-Caramel etwa. Die natürliche Variation der Kakaobohne, die 600 Aromen aufweist, lädt zu solchen Wagnissen ein.
Als Kleinunternehmer hat Kürzi Kakao gute Erfahrung mit den Behörden gemacht. Sie zeigten sich ihm gegenüber durchweg hilfsbereit, gaben Auskunft und dem Anfänger bisweilen sogar Empfehlungen. Schwieriger waren hingegen die Regeln, die für den Freiluftbereich gelten: sei es, was die mögliche Bestuhlung vor dem MOON angeht, sei es, was die Produktionsstätte anbelangt. Die Regeln sind hier eng gesteckt, was sicher seine Gründe hat, aber eben vorgeben, wie etwas laufen muss. So fein beispielsweise der Geruch gerösteter Kakaobohnen den meisten in die Nase steigen dürfte, gesetzlich fällt er in die Sparte «Geschmacksemissionen», so dass ein Umzug der Produktionsstätte, um den Einsatz grösserer Maschinen für den gesteigerten Absatz zu ermöglichen, nicht einfach nur von einer grösseren Fläche abhängt, sondern auch die Umgebung berücksichtigen muss.
Zu den Nahzielen von Kürzi Kakao gehört, in der innovativen Varietät noch breiter zu werden und im offenen Verkauf zu wachsen. «Das Schönste am Verkauf von Schokolade ist die kreative Freiheit – dass man als Unternehmen viel ausprobieren kann», sagt Kürzi, «und die Rückmeldung von Leuten, die bewusst für eine bestimmte Tafel kommen und sagen, dass das schlichtweg die beste Schokolade sei, die sie kennen. Das macht einfach Freude.»
Wein: Bonvin 1858 Les Domaines, «Petite Arvine Tradition», AOC Wallis, 2020.