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illustriert von Studio Sirup

Ein Glas Wein mit

Melanie Lauer, Kettler / Trisport, Hünenberg

Melanie Lauer hätte mich wohl in ihrem Büro empfangen, wenn sie denn eines hätte. Die CEO arbeitet immer wieder an einem anderen Platz. «So bin ich näher an den Mit­arbeitern», erklärt sie, während sie durch den Sitz der Trisport im zugerischen Hünenberg führt. In einer Ecke steht ein Gerät, das aus der Zeit gefallen scheint: ein alter, schlicht gestalteter Velohometrainer mit mechanischer Schaltung. Drehzahlmesser und Eieruhr sind die einzigen Messgeräte. Der Grund, warum das Gerät hier steht, ist der Name des Herstellers: Kettler. Heute prangt der Name auf modernen Hometrainern, Crosstrainern und Rudergeräten in ungewohntem Design und auffälligen Farben, die in Büros herumstehen. Dass ein ehemaliger De­signer von Apple die neuen Modelle entworfen hat, ist gut erkennbar.

Lauer leitet eine Art Start-up mit Tradi­tion. Als die deutsche Kettler vor zwei Jahren Insolvenz anmelden musste, erhielt Trisport, die bis dahin ausschliesslich im Vertrieb von Heimfitnessgeräten tätig war, die Lizenzrechte an der Marke für Sportartikel. Die Schweizer ­Firma begann, eigene Produkte unter dem Namen Kettler zu entwickeln. «Wir wollen Fitnessgeräte herstellen, die man bei sich zu Hause haben will», erklärt Lauer.

Bisher ist das Konzept aufgegangen, wie sie sagt. Kettler sei im europäischen Heimfitnessmarkt wieder führend. Lauer sieht sich auf Kurs zum Ziel, in fünf Jahren den früheren Umsatz von Kettler zu übertreffen. Natürlich hilft dabei die Bekanntheit der Marke. Auch die Coronapandemie kam dem Unternehmen zugute. Während der Lockdowns suchten die Leute Möglichkeiten, sich in den eigenen vier Wänden fit zu halten. «Innert weniger Tage haben wir unseren Vorrat an Hanteln von eineinhalb Jahren abgesetzt.» Die Nachfrage war so gross, dass das Unter­nehmen an die Grenzen der Produktionskapazitäten stiess. Die Kettler-Geräte werden heute in Asien hergestellt. «Wir wollen aber zurück nach Europa», sagt Lauer. Man plane, einige Produktbereiche wieder in die Nähe zu holen, um die Lieferung nachhaltiger und verlässlicher zu machen. Sie verweist auf die gestiegenen Frachtkosten und die Fragilität der Lieferketten. Diese werden zeitweise unterbrochen, wenn China wegen eines neuen Coronaausbruchs wieder einen Hafen vorübergehend stilllegt.

In Bewegung ist der Markt auch aufgrund der demografischen Entwicklung. «Je älter die Bevölkerung wird, desto länger muss diese Bevölkerung gesund bleiben», sagt Lauer. Dabei soll der technische Fortschritt den Menschen helfen, ihren Körper besser zu verstehen. Etwa, indem Fitnessgeräte mit Sensoren verbunden werden, die Parameter wie Atmung und Herzfrequenz messen. «Unser Ziel ist, die Daten zu analysieren und daraus Anweisungen abzuleiten, um die Kunden zu Gesundheit und Selbstbeurteilung hinzuführen.» Das gelte für ältere Zielgruppen genauso wie für jüngere, sagt Lauer, die sich in ihrer Freizeit gerne auf ein Kettler-Rudergerät setzt, wenn sie nicht gerade in ­ihrem Schwimmclub trainiert oder Zeit mit ihren beiden Kindern verbringt.

Die Schweiz als Firmenstandort beurteilt die Deutsche als sehr gut. «Wir haben hier unser Kernteam und unsere Inves­toren, aber auch gute Kunden.» Im Austausch zum europäischen Ausland gebe es gewisse administrative Hürden, was etwa unterschiedliche Gesetzgebungen oder die Verzollung betreffe, das seien aber keine grossen Herausforderungen. Am Hauptsitz ist Lauer allerdings nur zeitweise anzutreffen: Die 40-Jährige lebt mit ihrer Familie in München und kommt jeweils für zwei oder drei Tage pro Woche in die Schweiz.

Bevor Lauer zu Trisport kam, arbeitete sie für den deutschen Elektronikkonzern Conrad. Der Kon­trast vom Grosskonzern zum Unternehmen mit 40 Mitarbeitern war gross, doch es gibt auch Gemeinsamkeiten. «Ich habe in kleinen Firmen und in grossen Firmen gearbeitet, aber es waren eigentlich immer ­Unternehmen, die in einer Transformation waren.» Dabei helfe ihr ihre Ausbildung: Lauer hat Philosophie und Literatur­wissenschaften studiert. «In einem geistes­wis­sen­schaftlichen Studium lernt man, strukturiert zu denken und Dinge aus ­unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.» Das nötige betriebswirtschaftliche Wissen könne man sich relativ schnell aneignen. In Europa sei diese Erkenntnis noch wenig verbreitet. «In anderen Ländern sitzen in Führungs­po­sitionen oft nicht Ökonomen, sondern Leute mit ganz anderen Hintergründen.»


Wein: Bodega Señorio de Barahonda, «Heredad Candela Monastrell», Yecla, Spanien, 2018.

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