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Hannes Ruh, illustriert von Studio Sirup.

Ein Glas Wein mit

Hannes Ruh, Geschäftsführer und Inhaber der Sentivo GmbH.

 

Seine ersten Erfahrungen als Unternehmer hat Hannes Ruh schon als Teenager gemacht – mit Kürbissen. Seine Mutter hatte ihn ermutigt, ihre Ernte zu vertreiben. So startete er in Wilchingen im Kanton Schaffhausen einen Kürbishandel, der in den folgenden Jahren eine beachtliche Grösse erreichte. Inzwischen hat der 35-Jährige einen Master in Business Management an der HSG erworben und verschiedene Firmen aufgebaut und weiterentwickelt – unter anderem in der Fitness- und Finanzbranche.

Seit rund dreieinhalb Jahren ist er nun im Bereich der Betreuung von hilfsbedürftigen Senioren in Privathaushalten tätig. Zunächst baute er für den Personalvermittler Universaljob eine Tochterfirma auf. Im Januar 2021 konnte er sich dann durch die Übernahme der Firma Sentivo selbständig machen. Das KMU mit Sitz in Winterthur-Wülflingen war zehn Jahre zuvor gegründet worden.

Sentivo hat heute gut 60 Mitarbeiterinnen. Abgesehen vom Geschäftsführer besteht die gesamte Belegschaft aus Frauen, die in unterschiedlichen Pensen tätig sind, teils im Stundenlohn. Die Firma bietet verschiedene Formen der Betreuung an. Dabei geht es nicht um medizinische Pflege, wie sie Spitex-Organisationen anbieten. Im Zen­trum steht die Hilfe im Haushalt, beim Kochen, Waschen, Putzen, bei Arztbesuchen und Erledigungen sowie das persönliche Gespräch. Ein Teil der Mitarbeiterinnen besucht die Kunden für wenige Stunden in der Woche und entlastet so pflegende Verwandte. Andere wohnen direkt in den Liegenschaften der Kunden – oft zwei Frauen im Wechsel. «Uns ist wichtig, dass die Kunden möglichst immer dieselbe Bezugsperson haben», sagt Ruh.

Der Unternehmer ist überzeugt, dass die Altersbetreuung zu Hause ein wachsendes Bedürfnis ist, das bisher nur ungenügend abgedeckt wird. «Die allermeisten möchten auch im Alter zu Hause bleiben, nur ein kleiner Teil will in ein Heim», sagt er. Es sei falsch, dass die öffentliche Hand nur auf Spitex und Pflegeheime setze. Betreuungsleistungen, die diese Institutionen nicht anbieten, müssen privat finanziert werden, was eine Herausforderung sein kann. «Unsere Kunden besitzen meist ihr eigenes Wohneigentum», erklärt Ruh. Er möchte, dass das Thema der Finanzierung von Betreuungsleistungen zu Hause auf die politische Agenda kommt. Deshalb unterstützt er die Volksinitiative «Gutes Alter für alle», die derzeit vorbereitet wird.

«In der Coronakrise ist der Wunsch, zu Hause betreut zu werden, noch wichtiger geworden», sagt Ruh. Die Gefahr einer Ansteckung im Heim wurde sichtbar, und viele Heimbewohner wurden während längerer Zeit isoliert. Letztlich, so ist Ruh überzeugt, wäre eine Pflege und Betreuung zu Hause auch volkswirtschaftlich günstiger.

Die Mitarbeiterinnen, die für Sentivo die Live-in-Betreuung leisten, stammen meist aus dem Ausland – aus Deutschland, Ungarn, Rumänien oder Portugal. Ruh betont, dass er gute Löhne bezahle. Alle Frauen sprechen Deutsch. «Bei den Schweizern kommen speziell Personen aus dem lateinischen Sprachraum gut an», sagt Ruh. Er würde gerne auch Mitarbeiterinnen aus Lateinamerika einstellen, was aber aufgrund der Drittstaatenregelung kaum möglich ist. Deshalb plant er ein Sprachschulprojekt auf den portugiesischen Azoren, um von dort künftig Mitarbeiterinnen zu rekrutieren.

Denn Sentivo wächst: Für 2021 rechnet Ruh mit einer Umsatzsteigerung von rund 30 Prozent. Langfristig verfolgt er ambitionierte Ziele. «Wir möchten das Rivella der Altersbetreuung werden», sagt er. Eine Marke, die schweizweit bekannt ist und Vertrauen ausstrahlt.

Eine zweite Firma, an der Ruh beteiligt ist und die ebenfalls glänzt, heisst Cobea. Sie produziert Produkte zur Aufhellung der Zähne, die unter der Marke Alpine White vertrieben werden. Aktuell bereitet Ruh den Markteintritt in Brasilien vor, was «brutal kompliziert» sei. Bei diesem Prozess werde ihm wieder bewusst, dass die Schweiz bei der Regulierung ein Unternehmerparadies sei. Erleichtert werden die komplexen Verhandlungen in Brasilien dadurch, dass Ruh fliessend Portugiesisch spricht.

Zum Gespräch trinken wir einen Roséwein aus dem Kanton Neuenburg. Sofort beginnt Ruh, der aus einer Winzerfamilie stammt, über die schöne Farbe («beim Œil de Perdrix muss sie wie das Auge eines Perlhuhns sein, daher der Name») und die Konsistenz des Weines («erstaunlich dickflüssig») zu reden. «Ein süsser Spitz, gute Säure, wenig Frucht und ein etwas leerer Abgang – er gehört zum oberen Drittel der Schweizer Roséweine», sagt der Unternehmer, der Önologie heute zu seinen Hobbys zählt.


Wein: Domaine de La Maison Carrée, Œil de Perdrix, Neuchâtel Auvernier AOC, 2019 (Pinot noir)

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