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Ein ernüchterter Linker in  sozialistischen Ruinen

Ein ernüchterter Linker in
sozialistischen Ruinen

Ein WOZ-Reporter verzweifelt: Die Kubaner dürfen im Sozialismus leben – doch Lösungen sehen sie nur in mehr Markt und mehr Konkurrenz.

Dass sich unter den WOZ-Journalisten einige waschechte Sozialisten befinden, die sich wünschen, der Realsozialismus in Kuba stünde kurz vor der endgültigen Weltherrschaft, dürfte niemanden verwundern. Dass es Träumer gibt, die sich mit der grimmen Realität des Realsozialismus tatsächlich auseinandersetzen, überrascht schon etwas mehr. Reporter Raul Zelik – geboren 1968 mit klingendem Vornamen und ehemaliges Vorstandsmitglied der Partei «Die Linke» – war so mutig, sich die Ruinen der 1961 von der sozialistischen Führungsriege entwickelten revolutionären Kunsthochschule in Havanna anzusehen. Noch mutiger war nur, festzustellen, was vor Ort läuft: «Tatsächlich hat sich schon vor langer Zeit so etwas wie eine Gegenökonomie etabliert. Weil Gehalt und Lebensmittelzuteilungen zum Überleben nicht reichen, bedienen sich die Beschäftigten in den Staatsbetrieben selbst: Wer Käse produziert, lässt ihn mitgehen, um ihn unter der Hand zu verkaufen.»

Zeliks Begeisterung für die Architektur der Ruinen wird mit einem Achselzucken beantwortet. «Offensichtlich haben sich die Fünfzehnjährigen noch nie Gedanken über den Bau gemacht», schreibt er. Auch sein Traum von gemeinwohlorientierten Strukturen kommt nicht so richtig an: «Wir brauchen Konkurrenz», sagt der Ökonom Oscar Fernandez, der als «sozialistisch ausgebildet» vorgestellt wird. Zelik kommt zum Schluss: «Den meisten Kubaner:innen scheint der Markt die einzige Alternative zu sein.» Vielleicht mal ein Anlass, die eigene Ideologie zu überdenken? (rg)

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