Ein doppeltes Geschenk
Richard von Tscharner (Hrsg.): Land der Pässe – Eine Zeitreise in die heutige Schweiz. Zürich: Scheidegger & Spiess, 2023.
Richard von Tscharner, der vor seiner Karriere als Fotograf 34 Jahre lang für eine Privatbank tätig war, hat sich selber ein Geschenk gemacht: einen prachtvoll bebilderten Band zu den Schweizer Alpenpässen. Im Mittelpunkt stehen die teilweise fast schon ikonischen historischen Bilder und natürlich die vielen von Tscharner gemachten Aufnahmen, wobei seine schwarz-weissen Fotografien noch eindrücklicher sind als die farbigen. Zeitlos und elegant, aber nicht inszeniert sind alle seine Fotos, die grosszügig jeweils ganzseitig aufgemacht werden.
Die Idee zu seinem Werk ist dem gebürtigen Berner 2016 bei der Überquerung des Grossen St. Bernhard gekommen, wo er «von der majestätischen Atmosphäre auf der Passhöhe sowie von der Farbenpracht der herbstlichen Stimmung überwältigt» wurde. Getragen wurde das Projekt von der von ihm 2008 gegründeten Stiftung Carène, die Wissen und kulturelle Traditionen weitergeben will. Die Stiftung fungiert denn auch zusammen mit dem Stifter als Herausgeber des Bildbands.
Von Tscharner ist es gelungen, namhafte Autoren für die Artikel zu gewinnen, die seine Bilder rahmen. Das Vorwort stammt aus der Feder von Altbundesrätin Doris Leuthard, und Anton Affentranger, ehemals Implenia-Chef, schildert kenntnisreich, wie das Jahrhundertprojekt Gotthardbasistunnel realisiert wurde. Altbrigadier Daniel Lätsch widmet sich der strategischen Bedeutung der Alpenpässe und ruft dabei in Erinnerung, dass die heutige Südgrenze der Schweiz das Ergebnis «ennetbirgischer» Feldzüge im 15. und 16. Jahrhundert ist. Den grössten Beitrag liefert aber der Philosoph Frédéric Möri, der sowohl die Geschichte der Alpenpässe als auch ihre spirituelle und literarische Dimension ausleuchtet. Er macht darauf aufmerksam, dass Passgeschichte auch immer Klimageschichte ist (in Abkühlungsphasen wurden höhere Übergänge wie der Theodulpass unpassierbar), und zeigt auf, wie die Kirche mit Gottesmännern und Hospizen die Begehbarkeit wichtiger Pässe sicherte. Breiten Raum nehmen der Simplon ein, der erste Pass, dessen Infrastruktur auf eine dauernde Befahrbarkeit angelegt war, und natürlich der für die Willensnation Schweiz zentrale Gotthard.
Von Tscharners Geschenk eignet sich hervorragend auch als Weihnachtsgabe.