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Ein Asylsystem, das
Abgewiesene nicht zurückschafft, ist unethisch

Allzu lange haben die etablierten Parteien die zunehmende Migration ignoriert im Bestreben, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen. Doch Gesetze nicht anzuwenden und falsche Hoffnungen zu wecken, ist das Gegenteil von moralisch.

Ein Asylsystem, das Abgewiesene nicht zurückschafft, ist unethisch
Migranten machen sich im November 2021 auf den Weg zum Kontrollpunkt Kuznitsa an der weissrussisch-polnischen Grenze in der Nähe von Grodno, Weissrussland. Bild: Keystone/Oksana Manchuk/BelTA-Poolfoto via AP.

So unterschiedlich die rechtspopulistischen Parteien in Europa auch sind, so vereint sind sie im Kampf für eine restriktive Asylpolitik. Ob die Rechtspopulisten, derzeit überall in unseren Nachbarländern auf dem Vormarsch, die mit der starken Einwanderung verbundenen Probleme beheben können, sei dahingestellt. Aber im Gegensatz zu den etablierten Parteien müssen sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten weite Teile der Bevölkerung nicht bei ihren Ängsten abgeholt.

Zwar hat die Schweiz das Asylwesen bislang besser im Griff als andere Länder, doch auch hierzulande sorgen der starke Anstieg der Asylgesuche und die unbefriedigende Rückführungspraxis von Abgewiesenen bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern für Verunsicherung und Angst. «Die Zuwanderung lässt sich nicht mehr ignorieren oder kleinreden», kommentieren die Herausgeber des Chancenbarometers 2024 die Ergebnisse ihrer repräsentativen Umfrage zum Thema Zuwanderung.

Allzu lange hat eine Mehrheit der Parteien jedoch genau das getan. Sie wollte sich am Thema Migration nicht die Finger verbrennen und sah weg oder redete die Probleme klein. Man hatte zwar viel Verständnis für das Unwohlsein und die Ängste von Minoritäten, nicht aber für die Kritiker der Asylpolitik. Wer offen über Ausländerprobleme sprach, wurde schnell als Rassist gebrandmarkt. Und wer sich für eine restriktivere Migrationspolitik stark machte, galt als herzlos gegenüber den zum Himmel schreienden Flüchtlingsschicksalen.

Lebensgefährliche Reise

Dabei wird niemand, erst recht nicht die mit einem Gestus moralischer Überlegenheit auftretenden Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerke und Kirchen, bestreiten können, dass das aktuelle europäische Asylsystem, bei dem laut dem Migrationsforscher Ruud Koopmans das «Recht des Stärkeren» gilt, höchst unmoralisch ist. Es weckt nämlich bei Menschen, die keinerlei Anspruch auf Asyl in Europa haben, falsche Hoffnungen und verleitet sie dazu, ihr Geld an Schlepper zu verschwenden und eine lebensgefährliche Reise auf sich zu nehmen. Umso mehr sollte die Politik darauf hinarbeiten, die Herkunftsländer zur Verantwortung zu ziehen und die Behandlung von Asylanträgen von den Aussengrenzen der EU in die Herkunftsländer zu verlagern.

Nicht nur in politischer, sondern auch in ethischer Hinsicht problematisch ist, dass in der Schweiz derzeit rund 40 000 rechtskräftig Abgewiesene nicht zurückgeschafft werden können, weil der Schweiz rechtsstaatlich die Hände gebunden sind. Deshalb leben die euphemistisch als «vorläufig Aufgenommene» bezeichneten Personen mit diesem Status weiterhin und oftmals für immer in der Schweiz und erhalten Nothilfe, haben aber keinerlei Zukunftsperspektive.

«Nicht nur in politischer, sondern auch in ethischer Hinsicht

problematisch ist, dass in der Schweiz derzeit rund 40 000 rechtskräftig Abgewiesene nicht zurückgeschafft werden können.»

Die Folgen im Blick

Das Asylgesetz nicht konsequent anzuwenden, ist schliesslich auch deshalb ethisch fragwürdig, weil dadurch das Gemeinwohl in Schieflage gerät. Eine verantwortungsvolle Politik, die stets das Gemeinwohl im Blick hat, bedenkt auch die Folgen der Zuwanderung, etwa in Bezug auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Stabilität. Im Gegensatz etwa zu den Kirchen, die von ihren Mitgliedern Barmherzigkeit gegenüber Flüchtlingen verlangen können, darf der Staat nicht barmherzig sein. Er ist verpflichtet, gerecht und gesetzestreu zu agieren und darf in Einzelfällen keine Ausnahmen machen, weil er Mitleid hat. Der Politiker mag durch das Schicksal von Flüchtlingen zwar genauso berührt sein wie der Bischof, aber anders als dieser muss er nach den Konsequenzen fragen, die der Entscheid, Flüchtlinge aufzunehmen, hätte.

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