Editorial
«Die Politik muss den Menschen Steine aus dem Weg räumen, sie befähigen und fördern, damit sie mit den heutigen Herausforderungen umgehen können.» Petra Gössi, FDP-Präsidentin, im Interview mit dem «SonntagsBlick» vom 25. August 2019
Der wirtschaftsliberal und eigenverantwortlich gesinnte Wähler hat es nicht einfach bei den Parlamentswahlen am 20. Oktober: Die FDP will den Bürgern neuerdings nicht nur Steine mit politischen Mitteln aus dem Weg räumen. Sie hat sich über den Sommer in eine Position manövriert, die bereits die Grünen und Grünliberalen eingenommen haben, und befürwortet in der Klimapolitik verschiedenste staatliche Eingriffe: etwa eine Lenkungsabgabe auf Flugzeugtickets und auf fossilen Treibstoffen, CO2-Grenzwerte für Heizsysteme, Sanktionierungen für das Verfehlen von CO-2Zielwerten. Werden jene, die staatliche Eingriffe in die Klimapolitik befürworten, nicht gleich die Originale dafür wählen, die Grünen und die Grünliberalen? Man wird es sehen. Radikalliberale Parteien wie «Up» werden kaum einen Kandidaten ins Parlament bringen. Wähleranteile verlieren werden wohl auch konservative Parteien wie die CVP und SVP – letztere hat sich, wie in den letzten 30 Jahren immer, grosse Mühe gegeben, Mitte-Wähler mit fragwürdigen Plakaten abzuschrecken (mehr dazu lesen Sie hier).
Beachtenswert ist auch, wie sich auf dem Schlachtfeld der Begriffe die Positionen verändert haben. Als «liberal» gilt heute längst nicht mehr nur, wer private, eigenverantwortliche Lösungen den per Zwang gemeinschaftlich finanzierten Lösungen vorzieht. Der «Smartspider» der Internet-Wahlhilfe Smartvote.ch ist dafür ein guter Beleg: Bei der Beantwortung der Frage «Befürworten Sie eine strengere Kontrolle der Lohngleichheit von Frauen und Männern?» führt ein «Ja» zu einem Plus bei «Liberale Gesellschaft» und ein «Nein» zu einem Plus bei «Liberale Wirtschaftspolitik». Wer eine Ausweitung staatlicher Kontrolle befürwortet, darf sich also gemäss Smartvote als Liberaler sehen. Nur nicht als Wirtschaftsliberaler.
Sehr erfolgreich darin, den Begriff «liberal» für sich zu nutzen und immer neue Subventionen an immer neue Bevölkerungsgruppen als «Chancengesellschaft» zu verkaufen, ist die von den meisten Medien sehr wohlwollend mit Aufmerksamkeit überhäufte Bewegung Operation Libero. Welche Kandidaten Operation Libero zur Wahl empfiehlt, kann man sich auf Wandelwahl.ch ansehen, und man gerät darüber ins Staunen. Eine ausgesprochen antiliberale Wirtschaftspolitik, mit Smartspider-Werten von zum Teil deutlich unter 25 (von 100), befürworten 11 von 41 von Operation Libero ausdrücklich zur Wahl empfohlenen Kandidaten: 6 von den Grünen, 4 von der SP und eine vom Bündnis BastA! Vielleicht braucht’s für sie eine neue Begriffskategorie: «antimarktwirtschaftliche Liberale».