Editorial
Kurt Imhof liest den Medien gerne die Leviten. So macht man sich unter Medienvertretern keine Freunde. Die Beharrlichkeit, mit der Imhof in seinem Jahrbuch «Qualität der Medien» jeweils auf die «Qualitätsdefizite» der Pressetitel hinweist, verdient jedoch Respekt. Als er sich letzten Oktober in der 1000. Ausgabe mit den Worten zitieren liess: «Der ‹Monat› zeigt, dass […]
Kurt Imhof liest den Medien gerne die Leviten. So macht man sich unter Medienvertretern keine Freunde. Die Beharrlichkeit, mit der Imhof in seinem Jahrbuch «Qualität der Medien» jeweils auf die «Qualitätsdefizite» der Pressetitel hinweist, verdient jedoch
Respekt. Als er sich letzten Oktober in der 1000. Ausgabe mit den Worten zitieren liess: «Der ‹Monat› zeigt, dass es noch bürgerliche Intellektualität gibt – manchmal sogar Aufklärungsliberalismus!», fanden wir: Es ist Zeit, dem höchsten helvetischen Mediensoziologen endlich einmal einen Besuch abzustatten. Wir waren auf alle mögliche Kritik gefasst. Das Gespräch verlief anders, als wir dachten.
Der Philosoph John Gray zählt in Grossbritannien zu den pointiertesten Beobachtern des Zeitgeschehens. Als er jüngst in Zürich war, wollte ich ihn über Friedrich August von Hayek aushorchen, den er persönlich gut kannte. Zu meiner Überraschung konstatierte Gray in der persönlichen Plauderei vor dem Interview: Keynes sei der bessere Ökonom als Hayek gewesen und habe sich in Theorie und Praxis zu Recht durchgesetzt. Hatte ich mich verhört? Ich hakte nach. Und so wurde aus dem Gespräch ein kleines Streitgespräch.
Allenthalben ist die Rede von der Krise der Demokratie. Man mag sich aus helvetischer Sicht in der Tat fragen: Wie viel haben Bürger wirklich zu sagen, wenn sie alle paar Jahre ein Kreuzchen unter eine Partei machen dürfen, die sich von den anderen wählbaren Parteien programmatisch kaum mehr unterscheidet? Die Politikverdrossenheit nimmt zu, allerdings auch der Hang, alles und jedes zum Politikum zu erklären. Wie viel Mitbestimmung muss, wie viel Fremdbestimmung darf, wie viel Selbstbestimmung soll in einer modernen Demokratie sein? Mehr von David D. Friedman, Slavoj Žižek, Andrea Caroni, Christoph Frei, Frank Karsten und Roberto Esposito im Dossier.
Der Kulturteil widmet sich in diesem «Monat» der Frage nach dem Verhältnis des Künstlers zur Öffentlichkeit. Boris Groys, einer der führenden Medientheoretiker der Gegenwart, macht sich Gedanken über künstlerisches Selbst-Design, und der Kunstwissenschafter Christian Saehrendt antwortet ihm mit einem Essay zum «Verschwinden des Künstlers». Im Interview mit Johannes M. Hedinger spricht Regisseur Milo Rau über seine Schwierigkeiten mit der Aufführung politischer Kunst in der Schweiz. Die Inszenierung der «Zürcher Prozesse» (ab 3. Mai im Theater Neumarkt), in denen die «Weltwoche» wegen Menschenrechtsverletzungen «angeklagt» wird, soll das ändern. Sie lachen? Rau glaubt, dass Sie damit schon Teil des Schweizer Problems sind.
Anregende Lektüre!
PS. Wer Bargeld benutzt, ist ein potentieller Geldwäscher. Das glauben Sie nicht? Lesen Sie den Essay von Hans Geiger.