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Editorial

«1, 2 oder 3 – letzte Chance: vorbei!»

(Spruch aus der bekannten TV-Quizshow für Kinder.)

Eins, zwei, drei – oder doch lieber gleich neun, zwölf oder achtzehn? Die Akkumulation von Verwaltungs- oder Stiftungsratsmandaten ist zum lukrativen Hobby vieler (Ex-)CEOs geworden – und ein eigentlicher Leistungswettbewerb, so die Organisationssoziologin Katja Rost in unserer Titelgeschichte zum Schwerpunkt «Schweizer Filz», findet dabei selten statt. Was zählt, ist der Stallgeruch: «Das erste Mandat ist das schwierigste, die nächsten kommen wie von allein.» Erklärbar ist dieser Effekt nur durch die einseitige Abschottung des Marktes, denn qualifizierte Alternativkandidaten sind alles andere als rar. Und Hand aufs Herz: Kann eigentlich, wer mehr als – sagen wir – sieben Ämter innehat und seinen Job im Sinne des Mandats bestmöglich erledigen will, den damit verbundenen Workload überhaupt bewältigen? Ich habe meine Zweifel.

Unsere Ämtlisammler besetzen jedenfalls längst die wichtigen Schnittstellen der Kultur-,  der Wissenschafts-, der Standort- oder der Sportförderung, tauchen mal in diesem Stiftungsrat, mal in jener Jury oder Behörde auf. Was mancherorts «nur» bedenklich ist, ist in Politik und Wirtschaft gefährlich. Etwa, wenn der Klüngel zu Kadavergehorsam motiviert, oder der modus operandi dieses Filzes im Grossen fortwirkt und zu Preisabsprachen, Vetternwirtschaft, Korruption und Kartellbildung führt. Oder wenn die «Verdienten» von vor zwanzig Jahren Zukunftsstrategien für Unternehmen im beschleunigten Wandel liefern sollen, obschon ihnen der Leistungsausweis dafür fehlt. Tom Hanan, «Unternehmer des Jahres 2017» aus Zürich, bezeichnet die fehlende Digitalkompetenz vieler Schweizer VRs längst als «tickende Zeitbombe» für den ganzen Standort. Mangelndes Interesse für «Digitalisierung» und «die Jungen» kann man zwar den wenigsten attestieren, meist reden sie gern und viel über Disruption oder Demografie. Aber auf die Idee, sich selbst zu «disrupten», kommen sie selten von allein. «Man wird sie nicht mehr los», heisst es deshalb oft konsterniert und hinter vorgehaltener Hand, wenn etwa in Stifterfamilien versucht wird, einen «geerbten» Stiftungsrat umzubauen.

Klar: Wer jung ist, Erfolg und Familie hat, findet vielleicht wenig Zeit, sich noch mit den Projekten anderer auseinanderzusetzen. Dass oft aber gar nicht erst versucht wird, die goldenen Käfige zu knacken, ist ärgerlich – nicht zuletzt, weil alle Untersuchungen darauf hindeuten, dass die möglichst heterogene Zusammensetzung strategischer Gremien enorme ökonomische Vorteile hat. Die «Verfilzung» in öffentlichen und privaten Organisationen hat aber auch darüber hinaus weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, denn sie untergräbt die Ideale jeder Meritokratie. Kann sich ein Land wie die Schweiz, die so stolz auf ihre liberalen Werte und Errungenschaften ist, das dauerhaft leisten? Nein. War es früher schlimmer? Ja. Was hat das Ganze mit der vielgelobten Loyalität und dem Milizprinzip zu tun? Einiges. Und welche Rolle spielen eigentlich unsere Wettbewerbshüter? Lesen Sie selbst!

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