Editorial
Liebe, Leidenschaft, Familienzwist, Standesdünkel, Stolz und Rache. Am Ende von Verdis Oper «Die Macht des Schicksals» sind alle ermordet, nur der Liebhaber Don Alvaro hat überlebt. Versöhnung war nicht möglich. Nicht von der «Macht des Schicksals», sondern von der «Macht der Ressourcen» handelt das Dossier der vorliegenden Ausgabe. Deren Macht liegt in der Knappheit. Land, […]
Liebe, Leidenschaft, Familienzwist, Standesdünkel, Stolz und Rache. Am Ende von Verdis Oper «Die Macht des Schicksals» sind alle ermordet, nur der Liebhaber Don
Alvaro hat überlebt. Versöhnung war nicht möglich.
Nicht von der «Macht des Schicksals», sondern von der «Macht der Ressourcen» handelt das Dossier der vorliegenden Ausgabe. Deren Macht liegt in der Knappheit. Land, Bodenschätze, Rohstoffe, Luft und Wasser, sie alle dienen uns als unentbehrliche Lebensgrundlage, sind jedoch nur begrenzt verfügbar. Möglicherweise hätte die Macht des Schicksals bei Verdi unterlaufen werden können, wären alle Parteien zur Verständigung bereit gewesen. Denn es sind die Menschen, die miteinander auskommen müssen. Dem Schicksal oder auch den Ressourcen selbst kann nicht die Hand gereicht werden. In dieser Unmöglichkeit liegt ihre Macht, aber auch deren Grenze: denn dank Verhandlungsbereitschaft und Verhandlungsgeschick aller Beteiligten und Betroffenen lässt sich die Macht der Ressourcen und vielleicht auch die des Schicksals überwinden.
Es gehört inzwischen schon zur unserer Tradition, dass wir in jeder Ausgabe einem zeitgenössischen Künstler eine Anzahl Seiten zur Verfügung stellen, um sein Werk zu präsentieren. Maler, Zeichner, Photographen, Bildhauer, Video-, Konzept- und Aktionskünstler kamen bisher zu Bild und Wort. Mit dem Schweizer Roman Signer, dem Künstler der vorliegenden Ausgabe, beginnt eine Serie zur zeitgenössischen Skulptur, einem Bereich der Kunst, der allein schon wegen seiner raumgreifenden Erfordernisse im Ausstellungsgeschehen oft zu kurz kommt. Dass Skulpturen mehr sein können als klassische Marmorbüsten auf dem Klavier oder rostende Grossinstallationen auf dem Marktplatz, möchten wir mit dieser Serie zeigen, die uns in loser Folge bis ins nächste Jahr begleiten wird.
Anfang Mai ist unser Team durch René Scheu bereichert worden, der vom St. Galler Tagblatt zu uns gestossen ist. René Scheu, der vor wenigen Wochen seine Promotion in zeitgenössischer Philosophie abgeschlossen hat, wird das Herausgeberteam ergänzen und zusammen mit Robert Nef das Ressort Politik betreuen.