Editorial
«Die USA sind pleite. Nicht in 30 oder 15 oder 5 Jahren. Sie sind jetzt pleite.»
Laurence J. Kotlikoff, Ökonomieprofessor, im Februar 2013
Die Schulden der USA wachsen derzeit um 218 Millionen Dollar pro Stunde, um 5,2 Milliarden pro Tag. Insgesamt belaufen sie sich auf 33 Billionen Dollar, was mehr ist als die Wirtschaftsleistung von China, Japan, Deutschland und Indien zusammen. Die jährliche Zinsbelastung dafür steigt rasant: Lag sie Anfang 2021 noch bei rund 500 Milliarden Dollar, hat sie sich mit den steigenden Zinsen in weniger als drei Jahren verdoppelt: Heute müssen die USA jedes Jahr 1 Billion Dollar an Zinszahlungen bedienen – deutlich mehr als die rund 800 Milliarden, welche die Schweiz in einem Jahr erwirtschaftet.
Als Triple-A-Schuldner gelten die USA unter den Ratingagenturen nur noch bei Moody’s, doch auch deren Analysten haben den Ausblick – mit Verweis auf das grosse Haushaltsdefizit und einen Rückgang der Schuldentragbarkeit – von «stabil» auf «negativ» herabgesetzt. Da der US-Dollar nach wie vor die Weltreservewährung ist, war die Überschuldung der USA bisher kein grosses Problem.
Es wird erst dann eines, wenn andere Länder anfangen, US-Staatsanleihen im grossen Stil abzustossen. Das hätte einen steilen Anstieg der Zinssätze zur Folge und einen generellen Kollaps der Anleihemärkte. Dazu zu erwarten ist ein Abtauchen der Aktienkurse und ein rascher Wertverlust des Dollars, der alles andere als rar geworden ist: Die Menge der von der US-Zentralbank geschaffenen Dollars entwickelte sich von 0,85 Billionen im August 2008 auf 5,57 Billionen im September 2023. Bevor jedoch dem Dollar etwas passiert, werden andere wichtige Währungen in Bedrängnis geraten, zuallererst wohl der Euro.
Freuen über hohe Zinsen können sich die Inhaber der Schuldpapiere. Den höheren Zinszahlungen steht jedoch der schwindende Wert der Papiere entgegen; das Versprechen einer stabilen Anlage haben die US-Anleihen zuletzt nicht erfüllen können. Wer 2020 den an der Nasdaq gehandelten US-Staatsanleihenfonds TLT kaufte, sieht ihn heute, nur drei Jahre später, im nominellen Wert halbiert – hinzu kommt die Entwertung durch die Inflation.
Die nächsten Jahre werden Bewegung in das Finanzsystem bringen: Sollte das Vertrauen in Staatsanleihen eines Tages erodieren oder die Stimmung im Immobilienmarkt von «Kaufen» auf «Verkaufen» wechseln, wird enorm viel Geld frei, das anderweitig angelegt werden will. Die Möglichkeiten dabei sind so gross wie noch nie. Neben langfristigen Wertspeichern wie Gold und Bitcoin locken auch Tausende verschiedener Kryptowährungen und NFTs, die rasche Gewinne versprechen, aber oft auch in einem Totalverlust enden. Sicherheit, insbesondere seitens des Staats, wird man künftig vergeblich suchen.