Editorial
«Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.»
Arthur Schopenhauer
Das Gejammer über den Fachkräftemangel wird wieder lauter. «War es nicht absehbar», wurde der Direktor des Arbeitgeberverbands Swissmechanic kürzlich am Radio gefragt, «dass eine Lücke entstehen würde, wenn die Babyboomer in Rente gehen würden?» Natürlich. Ein anderer Grund ist aber gewichtiger: Während noch 1996 lediglich 9,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen Hochschulabschluss hatten, sind es heute 29,7 Prozent – diese 20 Prozent der Bevölkerung fehlen den via Swissmechanic organisierten KMU. Denn die Hochschulabgänger haben nicht nur Lohnerwartungen, die ein KMU nicht erfüllen kann, es fehlt ihnen auch an der erforderlichen Praxis, die eine Berufslehre mit einigen Jahren Wirtschaftserfahrung ermöglicht.
Aber dafür gibt es ja die Personenfreizügigkeit: Dann holt sich die Schweizer Wirtschaft halt einfach Fachkräfte aus dem EU-Raum. Doch viele der hochqualifizierten Leute aus dem Schwarzwald, Vorarlberg oder Friaul arbeiten längst für Schweizer Firmen, und die dort verbleibenden haben keine Mühe, vor Ort einen guten Job zu finden – wieso also sollten sie wegziehen? So bemühen sich die KMU verzweifelt um die Gunst der Vertreter der Generation Z, auf dass sie doch bitte die Gnade haben möchten, bei ihnen eine Lehrstelle anzutreten. Oder sie versuchen verzweifelt, aus einem ungelernten Eritreer oder Ukrainer eine Schweizer Fachkraft zu machen – was manchmal gelingt, oft aber auch nicht.
Für internationale Grossunternehmen bleibt die Schweiz ein fantastischer Standort. Aber sie verstehen es nicht wirklich, weshalb es jetzt Bürokratieprobleme gibt, wenn die Neuseeländerin in der Firma an den Hauptsitz geholt werden muss; sie buchen es schulterzuckend ab als zusätzliche Kosten. Während unzählige Fachkräfte ausserhalb Europas dafür sterben würden, in der Schweiz arbeiten zu dürfen, drängt Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider darauf, Containerdörfer auf Arealen der Armee zu bauen, um dort zur Unproduktivität gezwungene Asylsuchende unterzubringen.
Die Schweiz muss endlich wieder mehr Fachkräfte ausbilden. Das gelingt nur mit einer konsequenten Ausrichtung des Bildungssystems auf das von der Wirtschaft benötigte Personal. Und mit einer eigenständigen Steuerung der Zuwanderung, die nur durch eine Reform des Asylrechts und eine Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU zustande kommt. Wie Ökonomieprofessor Reiner Eichenberger immer wieder erläutert, erzeugt letztere vor allem Wachstum in die Breite, was weiteren Personalmangel auslöst. Eine Analyse der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion ergab 2016, dass im Schweizer Durchschnitt nur knapp 20 Prozent der seit 2007 eingewanderten Personen in einem Beruf arbeiten, wo ein Mangel an Fachkräften herrscht. Sollten es nicht besser 80 Prozent sein?