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Editorial

Editorial
Bild: Screenshot bj.admin.ch.

«Selbst ein einziges Individuum kann absolut und total nur beherrscht werden, wenn die gesamte Erde unter totalitärer Herrschaft steht.»
Hannah Arendt, in «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft», S. 821

 

Eine Welt, wie sie George Orwell in «1984» ausgemalt hat, ist also noch weit weg. Hat man jedoch das Pech, auf dem Territorium zu leben, das von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) beherrscht wird, erhält man einen Vorgeschmack darauf, wie eine Welt unter totaler digitaler Kontrolle mit Gesichtserkennung und eindeutiger ID aussehen kann. Wechselt die Farbe des QR-Codes auf dem Handy von Grün auf Rot, ist die angetretene Reise zu Ende. Und auch die Demonstration gegen eine Bank, die das Ersparte nicht mehr herausgibt. Autoritäre Regimes weltweit werden dem Beispiel von China folgen und mittels künstlicher Intelligenz «für mehr Sicherheit sorgen», also ihre Bürger penibel kontrollieren. Für das freie Indivi­duum ist das die vielleicht grösste Gefahr überhaupt.

Die freie Welt, in welcher der Bürger das Sagen hat, ist geschrumpft. Studiert man den vom «Economist» ermittelten Democracy Index, stellt man fest, dass die Staaten der Welt in den letzten 25 Jahren, von Ausnahmen wie Norwegen, Taiwan, Südkorea, Israel oder Uruguay ­abgesehen, weniger demokratisch geworden sind. In echten Demokratien wie Deutschland oder der Schweiz leben gerade mal 6,4 Prozent der Weltbevölkerung. In mangelhaften Demokratien – einer Kategorie, der Länder wie die USA, Indien, Brasilien, Singapur oder Thailand zugeordnet werden – weitere 39,3 Prozent. 54,3 Prozent leben unter Regimes.

Die Kraft und die Fähigkeit westlicher Regierungen, Rechtsstaat, Ordnung und Freiheit aufrechtzuerhalten, werden stark überschätzt. Obwohl sie bereits davor warnen, nicht einmal mehr eine Grundversorgung mit Strom garantieren zu können, und in der Coronazeit chinesische Rezepte wie den Lockdown blind übernommen haben, zehren sie nach wie vor vom über Generationen aufgebauten Vertrauenskapital. Die E-ID, 2021 von 64,4 Prozent der Stimmbürger klar verworfen, wird schon nächstes Jahr unter dem Label «Staatliche E-ID» wieder im Parlament beraten. Erstaunlicherweise setzen sich nicht einmal die bürgerlichen Parteien klar dagegen ein, sondern denken stattdessen darüber nach, wie sie dem Geheimdienst mehr Kompetenzen zuschanzen können.

Die Freiräume werden weltweit immer kleiner. Nicht nur autoritäre Herrscher schalten Alternativen aus. Auch westliche Demokratien wollen die Klima- und Coronapolitik global regeln und in der Steuergesetzgebung keine eigenen Wege mehr dulden. Ihre Zentralbanken bereiten unter dem Titel CBDC eine Art globales Überwachungsgeld vor. Der Machtanspruch ist weltumspannend: Für einen, der sein Glück anderswo suchen will, soll es keinen Ausweg mehr geben. Die totale Kontrolle lässt keinen Ausweg zu. Unter ihrer Herrschaft kann es ­keine klugen eigenständigen anderen Lösungen ausserhalb der Logik des Systems mehr ­geben.

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