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Editorial

Erfolg ist der Lohn der Leistung. Schon die Schule vertritt das Prinzip, dass «Ungenügend» oder «Ausgezeichnet», «Versetzt» oder «Nicht versetzt» die Leistungen eines Schülers honorieren. Auch im späteren Leben gilt das Ideal: Lei­stung und Erfolg sind verschwistert. Jeder, so die Hoffnung, bekommt seine Chance, durch Fleiss und Tüchtigkeit zu ­reüssieren. Und lediglich dadurch lassen sich […]

Erfolg ist der Lohn der Leistung. Schon die Schule vertritt das Prinzip, dass «Ungenügend» oder «Ausgezeichnet», «Versetzt» oder «Nicht versetzt» die Leistungen eines Schülers honorieren. Auch im späteren Leben gilt das Ideal: Lei­stung und Erfolg sind verschwistert. Jeder, so die Hoffnung, bekommt seine Chance, durch Fleiss und Tüchtigkeit zu ­reüssieren. Und lediglich dadurch lassen sich wirtschaftliche und soziale Vorteile in den Augen derer rechtfertigen, die unbesehen Ungleichheit mit Ungerechtigkeit gleichsetzen.

Gilt auch der Umkehrschluss, dass Misserfolg der Lohn mangelhafter Leistung sei? Dies kann, muss aber nicht richtig sein. Ebenso wie die Leistung nicht in jedem Fall von Erfolg gekrönt wird, so muss der Misserfolg nicht notwendigerweise Folge geringer Leistung sein. Die Zukunft kennen wir erst dann, wenn sie die Schwelle der Gegenwart überschritten hat und zur Vergangenheit geworden ist. Von unseren momentanen Entscheidungen können wir daher die Konsequenzen nicht mit absoluter Sicherheit wissen. Was heute Erfolg verspricht, kann morgen schon zum Scheitern beitragen.

Es denkt falsch, wer glaubt, eine direkte Linie vom Misserfolg zurück auf mangelhafte Leistung oder gar Verantwortungslosigkeit oder Schuld ziehen zu können. Dies kann dazu führen, dass vorschnell nach einem Schuldigen gerufen wird, wenn der Börsenkurs einer Firma in den Keller geht oder diese Konkurs anmeldet. Es wird dann ein Sündenbock gesucht, der für die Erfolglosigkeit seine vermeintlich «gerechte» Strafe erhalten soll. Doch Misserfolg per se, so das Thema unseres Dossiers, ist nicht nur nicht strafbar, sondern das unausweichliche Korrelat beim kreativen Bemühen um Erfolg. Auch wenn wir alle nur nach diesem streben.

Von der Jagd auf Böcke, wenn auch nicht auf Sündenböcke, handelt der Schwerpunkt unseres Kulturteils. «Die grösste Gefahr für das Bestehen der Jagd ist die Vernunft», schreibt Paul Parin. Der Zürcher Psychoanalytiker und Schriftsteller wurde dieses Jahr 90 Jahre alt. Einige Texte zu Ehren dieses Mannes, der mit seinen Erzählungen seine Zuhörer weiterhin im Bann zu halten weiss, sind in dieser Ausgabe abgedruckt.

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