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Editorial
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Editorial


Im 1957 publizierten Roman «Atlas Shrugged» von Ayn Rand ruft die Regierung, weil Unter­nehmer im ganzen Land auf unerklärliche Weise verschwinden, den Notstand aus und ­beschliesst – «im Namen des Gemeinwohls» und «zum Schutz der Sicherheit des ­Volkes» – Notstandsgesetze: 1. Wer seinen Beruf wechselt oder aufgibt, kommt ins Gefängnis. 2. ­Alle Unternehmen müssen ihren Betrieb aufrechterhalten, sonst werden sie verstaatlicht. 3. ­Patent- und Urheberrechte werden aufgelöst und müssen per «Notstandsschenkung» der Nation übergeben werden. In der Verordnung geht es so noch fünf Punkte weiter, über ihre Auslegung entscheidet das Amt für Vereinheitlichung, «dessen Entscheidungen end­gültig sind».

Klingt absurd, übergriffig, planwirtschaftlich? Tatsächlich. Eine gute Regierung lässt ihre Bürger in Ruhe und setzt nur die notwendigsten gesetzlichen Leitlinien, so dass ein ­freies ­Leben und ein freier Handel möglich sind und Konflikte rasch beigelegt werden können. ­Liberale kämpfen dafür, dass das so wird oder so bleibt.

In der Realität des Jahres 2021 haben wir uns nun aber schon weit entfernt von der Situation 2019, als der Wohlstand immer weiter zu gedeihen schien, der Klimawandel von den ­Medien zum grössten Problem erklärt wurde und vermehrt Grüne ins Parlament gewählt wurden. Mit der Bekämpfung des Covid-19-Virus ist stattdessen ein Kreislauf von Angst und Kon­trolle entstanden, in dem neue Notstandsverordnungen von Ideen zu neuen Massnahmen abgelöst werden. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betreibt inzwischen mit ­willfähriger Unterstützung der Grossverlage Tamedia und Ringier eine Art mediale Vernehmlassung, um auszuloten, welche Massnahmen auf den geringsten Widerstand stossen. Staats­angestellte, Journalisten und Parlamentarier diskutieren so zunehmend unter sich, wie es weitergeht. Der Unternehmer aus der Eventbranche oder die Gastwirtin verfolgen die ­Ereignisse hilflos. Sie sehen sich gezwungen, ihre Ersparnisse aufzubrauchen oder aber ihr Lebenswerk per sofort zu Grabe zu tragen. Immer neue, teilweise widersprüchliche ­Massnahmen vergällen jedem unternehmerisch ­handelnden Menschen das Wirtschaften. Freies Leben, freies Arbeiten wird dem einzelnen zunehmend verunmöglicht. Wie folgenreich sich all das auswirkt auf künftige Generationen, scheinen die meisten Liberalen zu ­unterschätzen. Statt zu opponieren, arrangieren sie sich.

Die Autoritäten greifen allerorten massiv in die Leben der Bürger ein und übernehmen dabei die Kontrolle fast aller Lebensbereiche. Die Regierung in Deutschland schreibt nun vor, wie weit sich ein Bürger von seinem Wohnort entfernen darf (15 Kilometer). In Ferienorten ­kontrollieren zu Hilfssheriffs gemachte Bürger auf den Strassen, ob Sie Ihre Gesichtsmaske ordentlich tragen (Grindelwald). In Grossbritannien werden Whistleblower auf unbestimmte Zeit in Hochsicherheitsgefängnissen inhaftiert (Julian Assange). Und im Schweizer Parlament stimmen die bürgerlichen (!) Politiker mehrheitlich einem Gesetz zu, das die Abwehr von Terror höher gewichtet als die Freiheit eines einzelnen (PMT).

An den Ursprung der Berichterstattung über Covid-19 erinnern wir uns noch gut: Videos von Menschen in China, die auf der Strasse umkippen oder sich in Krankenhäusern drängen. Später dann Bilder aus Italien von sich stapelnden Särgen vor dem Krematorium. Die Frage, wie man mit Covid-19 umgeht, wurde zuerst von der Kommunistischen Partei Chinas ­beantwortet; sie setzte die sofortige Ausmerzung des Virus zum obersten Ziel und erlaubte alle Mittel zur Erreichung. Das Resultat lässt sich sehen: Die Millionenmetropole Schanghai ist schon seit Sommer 2020 coronafrei, das Leben dort ist (von Reisebeschränkungen ­abgesehen) wieder wie davor.

Es ist ein nicht zu unterschätzender Sieg der Kontrolle. In der Frage, wie ein Virus aus der Welt geschafft werden kann, hat eine totalitär regierende Staatsgewalt die Deutungshoheit erlangt – und dabei freie Gesellschaften so aussehen lassen, als würden ihre liberalen ­Demokratien nur Chaos hervorbringen. Der britische Epidemiologe Neil Ferguson – zurück­getreten im Mai 2020, weil er seine Geliebte mehrfach getroffen hatte mitten im harten Lockdown, zu dem er der britischen Regierung nachdrücklich geraten hatte – gab Ende 2020 in ­einem Interview mit «The Times» zu, dass man nicht gedacht hätte, in Europa mit solchen Massnahmen durchzukommen. Aber dann sei die italienische Regierung den Massnahmen der chinesischen gefolgt: «Wenn China es nicht getan hätte», sagte er, «wäre das Jahr ganz anders gewesen.» Mit einem BIP-Zuwachs von 2,3 Prozent ist China weltweit die einzige ­grosse Volkswirtschaft, die das Jahr 2020 überhaupt mit einem Wirtschaftswachstum ­abschliesst.

Eine Pandemiebekämpfung à la chinoise wünschen sich viele auch bei uns – umso härter und kompromissloser, so scheint es, je weiter links sie stehen. Die Forderungen an den ­Bundesrat nach einem sofortigen Kurswechsel mit härteren Massnahmen, wie sie auf ­offener-brief.ch formuliert werden – organisiert von SP-Campaigner Dimitri Rougy und ­erstunterzeichnet etwa von Jonas Lüscher, Lukas Bärfuss oder Milo Rau –, werden noch ­getoppt von der Aktion zero-covid.org («Das Ziel heisst null Infektionen!»), erstunterzeichnet etwa von Luisa Neubauer, Margarete Stokowski oder Hengameh Yaghoobifarah.

Der Teufelskreis aus Angst und Kontrolle ist nur zu durchbrechen, indem man aufhört, Angst zu haben, und jenen entgegentritt, die aus freien Gesellschaften unfreie machen oder machen wollen. Das Problem einer Überlastung von Notaufnahmen mit Personen, die um Atem ringen, existiert gewiss. Dagegen müssen sich die Risikogruppen und die gesunden Ängst­lichen allerdings selbst schützen. Indem sie einerseits die geeigneten Massnahmen treffen, um sich selbst nicht anzustecken. Und andererseits Klarheit gegenüber Ärzten schaffen, indem sie eine eindeutig zu interpretierende Patientenverfügung unterschreiben und hinter­legen. Diese Massnahmen können selbstverantwortlich ausgeführt werden und benötigen keine Verordnungen der Regierung.

Die vielen Freiheitseinschränkungen, die Staaten ihren Bürgern auferlegten, haben zu Suiziden, Depressionen, Einsamkeit, Entwicklungsstörungen, Konkursen, Wohlstandsverlusten geführt. Und sie werden in Zukunft zu Wirtschaftskrisen führen, zu einem Vertrauensverlust der Institutionen, zu einer weiteren Schuldenexplosion und zu Inflation. Es bleibt die Einsicht, dass man, um in einer freiheitlichen und nicht totalitären Gesellschaft leben zu können, Risiken in Kauf nehmen muss. Wer totale Sicherheit will, verliert die Freiheit ganz. Eine Gesellschaft, die Unternehmer daran hindert, für sie nützlich und produktiv zu sein und sie in den Untergang schlittern lässt, wird bald selbst untergehen.

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