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Editorial

«Redefreiheit ist die Luft einer offenen Gesellschaft, der Lebenssaft einer Demokratie.» Timothy Garton Ash

Kurz vor Weihnachten klingelte bei mir das Telefon, Tito Tettamanti war am Apparat. Er gratulierte zur Titelgeschichte des Dezember-«Monats» und bot an, Tim Guldimann, der sich über wachsende Papierberge in und seitens der Verwaltung beschwert hatte, eine öffentliche Antwort zu schreiben. Sie finden den Brief des Tessiner Unternehmers an den Wahlberliner Nationalrat hier – die Debatte zum Thema Verwaltung wird in den nächsten Monaten prominent weitergezogen. Aber warum erzähle ich Ihnen das?

Weil ein freiheitliches Debattenmagazin von der Eigeninitiative jener abhängig ist, die in Sukkurs und Widerspruch investieren! Die vielzitierte Redefreiheit macht vor allem dann Sinn, wenn davon auch Gebrauch gemacht wird, wir uns zunächst diskursiv «nach vorn irren», um darauf aufbauend zu handeln. Aber sagen wir es offen: um diesen zentralen liberalen Wert ist es in Zeiten des politischen Schwarz-Weiss-Denkens einerseits und der kuscheligen Berieselung im goldenen Käfig andererseits nicht besonders gut bestellt. Hinter vorgehaltener Hand wird in der Schweiz zwar gern und viel diskutiert, gemotzt, gelobt. Wenn es aber darum geht, mit dem eigenen Namen hinzustehen und sich sachlich-kritisch, aber vor allem öffentlich mit einem heissen Thema auseinanderzusetzen: das Schweigen im Walde. Der «public intellectual» sei tot, heisst es dann, und in der Tat haben viele ernsthafte Denker das mediale Feld längst den PR-Schnurris und den Politikern überlassen (müssen). Letztere füllen die Zeitungsseiten, floskeln in die Mikrofone, plappern an Veranstaltungen – und ernten Applaus vordringlich für ihre «richtige» Gesinnung.

Wir finden: lang lebe der «public intellectual», lang lebe das unbequeme Denken! Die erste Ausgabe des neuen Jahres widmet sich deshalb dem gegenwärtigen Daten- und Zahlenkult, der die Statistiken, Leitindizes und Kennzahlen als Letztbegründungen liebt – aber die Interpretation delegiert oder sie schlicht nicht zu leisten imstande ist. Sie widerspricht den Moralaposteln («Freispruch für das Doping!») und den Faust-im-Sack-Wohlstandsmüden (unser Dossier zum Thema «Wie mutig ist die Schweiz?»). Und sie setzt voll auf Sie, liebe Leserinnen und Leser, als zentrale Instanz, die unsere Inhalte nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern sich – wo angebracht – öffentlich damit auseinandersetzt, sie weiterträgt, uns und unseren Autoren antwortet: sachlich, kritisch, mutig.

In diesem Sinne: alles Gute für 2018 und anregende Lektüre – es ist eine Freude, Sie involviert zu wissen!


Michael Wiederstein
 ist Chefredaktor dieser Zeitschrift.

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