Echo
Leserzuschrift zu «Die Vereinnahmung des Lebens» von René Scheu in der Augabe «Der Mensch und die Grenzen seiner Natur», Juni 2007
Bevor ich auf einige Ihrer Aussagen präzisierend und ergänzend eingehe, will ich festhalten, dass ich Ihren Hinweis auf die Überlegungen von Foucault im Zusammenhang mit dem von ihm geprägten Begriff der «Bio-Macht» äusserst befruchtend finde. Foucaults Aussagen belegen einmal mehr, dass die Frage, welches Mass an Freiheit wir uns bei welchem Mass an Sicherheit erhalten können/wollen, eine zeitlose ist, wohl überhaupt eine der Grundfragen menschlichen Lebens. Ich bin mir bewusst, dass wir bei deren Beantwortung – wie bei der Beantwortung aller Grundfragen – besonders sorgfältig vorgehen müssen, und ich bin auch überzeugt, dass wir dies tun – sei es im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Generation von Ausweisen, sei es beim Grundgesetzgebungsprojekt BWIS II, mit dem wir die Mittel der Informationsbeschaffung zur Früherkennung von Gefährdungen durch Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst und Proliferation stärken wollen. Nun zu den Präzisierungen und Ergänzungen zu Ihrem Artikel:
1) Sie schreiben auf S. 10, vorerst beschränke sich «die Biometrie auf die Erfassung spezifischer Gesichtsmerkmale», und «Die entsprechenden Daten werden auf einem Chip gespeichert, der in den Pass integriert ist». Dazu folgende Präzisierung: Biometrie wird bei der Ausstellung von Ausweisen seit je genutzt. Neu ist die Form der elektronischen Speicherung im Dokument. Was beim aktuellen Pass 06 elektronisch gespeichert wird, ist – neben den bisher im Pass enthaltenen Daten zur Person – ein digitales Foto im jpg-Format, das mit dem im Pass abgebildeten identisch ist. Irgendwelche «spezifischen Gesichtsmerkmale» werden nicht gespeichert.
2) «Ab dem Jahr 2009», so schreiben Sie auf S. 10 weiter, «wollen die EU und die Schweiz auch die Daten von Fingerabdrücken auf dem Chip des Passes – und allenfalls der Identitätskarte – speichern.» Es geht dabei, um es genau zu sagen, um zwei Fingerabdrücke, und zwar in der Regel um die der beiden Zeigefinger. Diese Präzisierung ist vor allem deshalb wesentlich, weil dieses Zwei-Finger-System auf den Zweck der Identifikation von Personen zugeschnitten ist. Für die Zwecke der Fahndung bzw. Ermittlung werden die Abdrücke aller zehn Finger benötigt. So hält denn auch Art. 11 Abs. 2 des Ausweisgesetzes zum Zweck der Bearbeitung und Speicherung der Daten im Ausweiswesen unmissverständlich fest, es gehe um die «Verhinderung von unberechtigten Mehrfachausstellungen eines Ausweises für dieselbe Person» und die «Verhinderung missbräuchlicher Verwendung» von Ausweisen.
3) Damit zum letzten Punkt, einer Ergänzung, die mir zentral scheint. Es geht bei der Nutzung der neuen biometrischen Verfahren im Bereich des Ausweiswesens nicht um eine Frage der Schuld oder der Unschuld, wie Sie dies auf S. 11 andeuten. Vielmehr geht es in erster Linie um Rechtssicherheit und dann auch um Reisefreiheit. Um Ihre Rechtssicherheit im konkreten Einzelfall, weil durch zweifelsfreie Identifikation die missbräuchliche Verwendung Ihrer Identität verhindert werden kann. Um Ihre Reisefreiheit deshalb, weil Sie nur mit einem Ausweis ungehindert reisen können, der den internationalen Standards genügt, die nicht von den USA oder der EU, sondern zuallererst im Rahmen der UNO-Unterorganisation ICAO (Internationale Zivilluftfahrtsorganisation) festgelegt werden.
Dr. Jean-Luc Vez, Direktor des Bundesamtes für Polizei (fedpol)