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Duell des Monats

Stehen wir vor einer massiven Inflation?

PRO

Markus Krall, zvg.

«Stark steigende Geldmenge trifft auf ein fallendes Produktangebot.

Das ist der Cocktail, der in genau dieser Kombination schon 1923

in die Hyperinflation  geführt hat.»

 

Ja, denn die Geldschleusen sind offen. Das Coronavirus hat den Teil des Frontallappens der geld­politischen Entscheider befallen, der für Abwägung und Vorsicht zuständig ist.

Die Ausdehnung der Zentralban­kengeldmenge geht nicht mehr langsam und kontinuierlich, wie in den letzten 10 Jahren, sie geht in wahren Quantensprüngen, um nicht zu sagen Bocksprüngen. Allein im April wurde die Zentralbankbilanz in den USA um 2,4 Bio., in Euroland um 700 Mrd. aufgebläht. Das Tempo wird sich noch beschleunigen, wenn den Staaten durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit das Geld ausgeht. Die deutsche Arbeitslosenversicherung hat bei 10 Mio. Kurzarbeitern noch Reserven für wenige Wochen.

Der Nachbrenner kommt, wenn Unternehmen und Banken in grossem Stil gerettet werden müssen. 14 Prozent aller Unternehmensanleihen sind ausgefallen, bei den Bankkrediten dürften es dann wohl 30 Prozent sein. Verborgen wird das Desaster noch durch den Umstand, dass Unternehmen, die Pleite sind, keine ­Insolvenz mehr anmelden und Banken ausgefallene Kredite nicht mehr abschreiben müssen. Der Bilanzbetrug ist damit amtlich.

Wir müssen daher damit rechnen, dass die Bilanzsummen von EZB und Fed im Sommer beide die 10- oder gar 15-Billionen-Marke überspringen werden.

Diese gewaltige Ausdehnung der Geldmenge trifft auf ein Warenangebot, das fällt wie ein Stein. Die globalen Lieferketten zwischen Asien, Europa und den USA sind desynchronisiert und durch den Ausfall kritischer Komponentenlieferanten massiv beschädigt. Es wird Jahre dauern, sie zu reparieren. Die industrielle Produktion wird sich 30 bis 50 Prozent unter Vorkrisenniveau stabilisieren – falls der «Lockdown» unverzüglich endet, wonach es nicht aussieht.

Stark steigende Geldmenge trifft auf ein fallendes Produktangebot. Das ist der Cocktail, der in genau dieser Kombination schon 1923 in die Hyperinflation geführt hat. Kein Gesund­beten durch die Hohepriester der MMT, der «Modern Monetary Theory», wird das verhindern.

CONTRA

Mathias Binswanger, zvg.

«Fliesst durch die Zentralbanken

neugeschaffenes Geld auf den

Immobilienmarkt, beginnen dort

und nicht in der Realwirtschaft

die Preise zu steigen.»

 

Nein, auch als Folge aller coronapolitischen Massnahmen droht keine grosse Inflation. Schon seit der letzten Finanzkrise haben die relevanten Zentralbanken ihre Bilanzen vervielfacht, indem sie den Geschäftsbanken in nie dagewesenem Ausmass Staatsschulden, andere Wertpapiere oder Devisen abgekauft haben. Der Anstieg der Inflation kam allerdings nie. Wir sehen seit 2009 zwar einen etwas stärkeren Anstieg des in den Volkswirtschaften zirkulierenden Geldes, welches mit den Geldmengenaggregaten M1, M2 oder M3 gemessen wird. Eine wirkliche Explosion erlebte jedoch einzig das Zentralbankengeld M0, welches hauptsächlich die Guthaben der Geschäftsbanken bei der jeweiligen Zentralbank erfasst. Die Zentralbanken füllten und füllen also mit ihren Wertpapier- bzw. Devisenkäufen die Konten der Geschäftsbanken, bei welchen dieses Geld dann liegenblieb.

Gleichzeitig haben wir seit der jüngsten Finanzkrise auch historisch tiefe oder sogar negative Zinsen. Damit wurden aber nicht Kredite an die Wirtschaft, sondern in erster Linie Hypo­thekarkredite stimuliert. Fliesst durch die Zentralbanken neugeschaffenes Geld auf den Immobilienmarkt, beginnen dort und nicht in der Realwirtschaft die Preise zu steigen. Diese Preisinflation wird jedoch mit dem Konsumentenpreisindex nicht erfasst.

Die Zentralbanken haben auf die Coronakrise ähnlich wie auf die Finanzkrise in den Jahren 2008/09 reagiert – jedoch mit gesteigerter Intensität. Die US-Zentralbank Fed hat seit März 2020 praktisch sämtliche Staatsschulden der USA aufgekauft. Die Europäische Zentralbank plant erneut ein wohl wirkungsschwaches «Emergency Purchase Program». Und die SNB ist wieder damit beschäftigt, in grossen Mengen Devisen aufzukaufen, um eine Aufwertung des Frankens zu verhindern. Trotzdem ist die Inflationsgefahr nicht gravierend. Das dadurch geschaffene Geld bleibt auch jetzt zum grössten Teil im Bankensektor. Inflation droht erst dann, wenn die Staaten(bünde) mit den an ihre jeweilige Zentralbank verkauften Schulden massive Ausgabenprogramme finanzieren, die wiederum zu keinen Investitionen führen.

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