Diskrete Wundpflege
Ein Gespräch mit Ron Snir, CEO von EZBra.
Eine von sieben Frauen erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs. Entsprechend hoch ist die Zahl der operativen Eingriffe – und die Zahl der Frauen, die versuchen müssen, sich anschliessend wieder im Alltag zurechtzufinden. Nach dem Spitalaufenthalt muss schliesslich nicht nur die Wunde an einer empfindlichen Körperstelle versorgt, sondern auch ein Gefühl von Sicherheit und Komfort hergestellt werden, um überhaupt wieder dem eigenen Beruf nachzugehen oder um sich unter Menschen mischen zu können. Zu den üblichen Einschränkungen wie jener, sich nach einer Operation nur mühsam selbst anziehen zu können, gesellt sich oftmals die Angst, dass sich unter der Bluse etwas abzeichnen könnte, das Dritte nichts angeht.
Dieses Stigma, über das bis heute kaum geredet wird, sollte nicht sein, beschloss die Firma EZBra (lies: «easy-bra»). Sie entwickelte als Lösung einen leicht anzulegenden, medizinischen BH. Dabei handelt es sich um einen sterilen Einwegartikel, der Frauen in der körperlich wie psychisch belastenden Situation etwas an Würde zurückgibt. Zur Gründung im Jahr 2016 wurden 8 Millionen Dollar eingeworben, was nicht einfach war. «Femtech» war noch kein Begriff, und der Umstand, dass es sich bei den meisten Ärzten, die auf Frauen spezialisiert sind, um Männer handelt, half auch nicht, denn viele von diesen waren an dem, was Frauen nach den Operationen benötigten, deutlich weniger interessiert als an dem, was diesen voranging. Heute wird das in Mexiko hergestellte und preisgünstig zu erwerbende Produkt bereits in 15 Ländern vertrieben – darunter Ägypten, China und Vietnam, Tendenz rasch steigend. Healthcare-Technologie, erfunden von Frauen für Frauen, die sich nun global auszahlt. Auch einige Männer arbeiten hier ganz selbstverständlich mit.
Der Lebenslauf von EZBra-CEO Ron Snir darf als typisch israelisch bezeichnet werden: Eigentlich hatte die mathematisch begabte Enkelin eines exponierten Kommunisten vor, Cinematographie zu studieren, befolgte dann aber den Ratschlag ihrer Mutter, sich für etwas Bodenständiges und Vielversprechendes einzuschreiben, und schloss in Chemieingenieurswesen ab, um sich danach dennoch in diversen Berufen auszuprobieren. 2021 stieg sie bei EZBra als Chairwoman ein, bald darauf wurde sie CEO. Heute ist sie auch als Strategic Consultant für Lesico Process Piping tätig, eine Gesellschaft, die zur Lesico Group gehört, einem der grössten Infrastrukturunternehmen des Landes. Und sie hilft einigen anderen Firmen dabei, deren Auslandspräsenz aufzubauen.
Die Bereitschaft, berufliche Risiken einzugehen, sei in Israel grösser als in anderen Teilen der Welt und korrespondiere mit der gesellschaftspolitischen Realität des Landes, sagt Snir, Mutter zweier Töchter. Israelis würden im Durchschnitt einfach mehr wagen als Menschen andernorts, weil sie aufgrund der konstanten Gefahr ohnehin mehr wagen müssten. Gerade deshalb sollten Frauen auch im medizintechnologischen Sektor mutiger sein, denn Probleme, welche die Gebärfähigkeit oder die Menopause beträfen, erforderten ihr Wissen und ihre Kompetenzen. Ebenfalls israelisch ist sicherlich Snirs Selbstverständnis, als Linke ausdrücklich Einsatz für ihr Land zeigen zu wollen: «Aber dass ich CEO bin – wenn das mein Opa wüsste!»
Die Erfolgskurve des medizinischen BHs von EZBra zeigt auch deshalb stetig nach oben, weil das Produkt universell einsetzbar ist, egal ob die Käuferin eine Biopsie, eine Mastektomie oder eine Schönheits-OP hat vornehmen lassen. Das Nahziel der Firma liegt aktuell darin, bald in 50 Ländern erhältlich zu sein.