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Dinosaurier gehen, Menschen bleiben

Lukas Hartmann: «Die Seuche». Zürich: Diogenes 2009.

Pandemie, neue Influenza, Schweinegrippe – in diesen Zeiten ist schnelles Handeln nötig. Vorbildlich der Zürcher Diogenes-Verlag; flink werfen sie Lukas Hartmanns Roman «Die Seuche» aus dem Jahr 1992 erneut auf den Markt. Nomen est omen. Es geht um die Pest, die im 14. Jahrhundert eine breite Spur des Todes durch die Kantone zog, ganze Täler entvölkerte und anderswo religiösem Wahn zum Aufstieg half. Und es geht – erst parallel, später verwoben – um Aids, das den afrikanischen Kontinent Ende des 20. Jahrhunderts zu entvölkern drohte. Es geht also um ein Wieder-Lesen und Neu-Erschmökern.

Das Wiederlesen ist ebenso ernüchternd wie ermutigend. Die Spezies Mensch war schon oft dem Untergang geweiht, nie darauf vorbereitet, aber immer ist dieser an uns vorbeigegangen. Wenn wir Menschen auch auf wenig sonst stolz sein können – wir sind zähe Kunden auf dieser Erde. Zäher als die verweichlichten Dinosaurier. Pumpen sich theatralisch auf, zwanzig Meter lang, zwölf Tonnen schwer, dann wird’s ein bisschen kühler und – zack – alle tot. Nicht mit uns!

Womit wir beim Neu-Erschmökern wären. Die Informationen über Aids in Afrika – geschenkt. Der Agitprop hat seinen Reiz verloren. Was allerdings zeitlos fasziniert, ist der Rhythmus der Erzählung. Fern allen politischen Botschaften lässt sich an der Neuauflage überprüfen: Hartmann hat einen altertümlich anmutenden, dennoch beschwingten Ton für seinen Roman gefunden und hält ihn konsequent durch. Ihm gelingt ein groove, der dem auf- und abklingenden Singsang von Pilgern nachempfunden ist und den Leser behutsam, aber stetig in das Geschehen hineinzieht, in die lesenswerte Geschichte der vierzehnjährigen, vereinsamten, verwirrten, vertriebenen, doch von Pestbeulen verschonten und hoffnungsfroh verträumten Vollwaise Hanna.

vorgestellt von Michael Harde, Schalkenbach

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