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Die zähe Lüge von den «Gottesmördern»

Tilman Tarach geht den christlichen Wurzeln des Antisemitismus nach.

Die zähe Lüge von den «Gottesmördern»
Bildquelle: Buchcover von Tilman Tarach: «Teuflische Allmacht. Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus». Berlin/Freiburg: Edition Telok, 2022.

Die jihadistischen Terroranschläge, die seit dem 11. September 2001 die westliche Welt erschütterten, haben den Antisemitismus islamischer Provenienz zurecht in die politische Aufmerksamkeit gerückt. Ostern ist allerdings eine gute Gelegenheit, um an die andere religiöse Tradition zu erinnern, die wesentlich zur jahrhundertelangen Verfolgung der Juden in Europa beigetragen hat. Tilman Tarach hat mit «Teuflische Allmacht» eine sehr lesenswerte Abhandlung vorgelegt, die zeigt, dass die «christlichen Wurzeln» des Phänomens bereits im Neuen Testament angelegt sind. Über die bekannte Station des antisemitischen Reformators Martin Luther hinausgehend wird hier an die verdrängte Geschichte des Antijudaismus erinnert, dessen Elemente die Nationalsozialisten in ihrer ideologisch inkonsistentes Weltbild integrierten – mit bekanntem Ausgang, den Saul Friedländer aus guten Gründen «Erlösungsantisemitismus» nennt. Arabische Antisemiten wiederum vermochten nach 1945 auf die Vorstellung der vermeintlichen «Gottesmörder» zu setzen, um ihren Krieg gegen Israel unter westlichen Linken populär zu machen. Heute sind es kirchliche Gruppen und Kreise, die sich aktiv an der Boykottbewegung gegen den jüdischen Staat beteiligen und dabei kaum verschleiert auf uraltes Gedankengut zurückgreifen, während Rechtsextremisten der Verschwörungsideologie vom «grossen Austausch» anhängen, der sinistre jüdische Strippenzieher hinter dem Ende des christlichen Europas vermutet.

An diesen reaktionären Bestärkungen und Bezugnahmen über alle politischen Abneigungen hinweg wird die Wirkmächtigkeit des Antisemitismus besonders deutlich – und damit zugleich auch das Gegenprogramm zu diesem. Denn der Hass auf Juden ist, wie Tarach luzide hervorhebt, nur durch die Stärkung jener Ideen zu bekämpfen, «die schon immer den Unmut von Antisemiten jeglicher Couleur auf sich gezogen haben: Die individuelle Selbstbestimmung und Freiheit, die Emanzipation des Individuums vom Kollektiv.» (vsv)

Tilman Tarach: «Teuflische Allmacht. Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus». Berlin/Freiburg: Edition Telok, 2022.

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