Die Welt an einem Tisch
Eine Geburtstagsfeier auf Sansibar.
Kürzlich feierte ich mit meiner Freundin Caroline Geburtstag. Caroline lebt in Stone Town auf Sansibar, das im Winter meine zweite Heimat ist. Sie stammt aus Holland und ist Safari-Guide. In Kenia lebte sie als einzige Weisse in einem Dorf, in dem sie gegen die Genitalbeschneidung von Mädchen kämpfte, bis sie von den dortigen Männern unter Todesdrohungen verjagt wurde.
Wir waren zehn Frauen, die sich zu Carolines Geburtstag zum Abendessen trafen – zehn Frauen, die es auf der Suche nach ihren Träumen, nach Abenteuern und letztlich nach der Freiheit auf teils verschlungenen Wegen nach Sansibar verschlagen hat und die hier Freundschaft geschlossen haben.
Zu meiner Linken sass Malu, Südafrikanerin, die in Kongo in einem Minenwerk arbeitete, bis dieses von Rebellen gestürmt und geplündert wurde. Neben Malu hatte Samira Platz genommen, halb Tansanierin, halb Engländerin, die als DJane unterwegs ist. Mit am Tisch war Luba, in Sibirien geboren. Sie lebt seit vielen Jahren in Ostafrika und verdient sich ihr Leben mit Kunstlektionen für sansibarische Waisenkinder und Malkursen für Touristen. Nelly, Französin mit senegalesischen Eltern, hat kürzlich in Stone Town einen Wellness-Laden eröffnet, in dem sie auf der Insel produzierte Kosmetikprodukte anbietet. Laura, Dänin, arbeitet an einem Projekt, das alleinstehende Frauen in die Selbständigkeit begleitet. Nada, Ägypterin, zieht durch abgelegene Dörfer, um junge Frauen und Männer für Gleichberechtigung und Gewaltprävention zu sensibilisieren. Bracha aus Jemen baut mit ihrem Mann auf der Insel einen riesigen Hotelkomplex, was wir alle nicht so toll finden. Salma, Sansibarin, bietet Stadtspaziergänge an, die Touristen das Leben der einheimischen Frauen näherbringen. Und Francesca, Italienerin, führt an der Ostküste eine Lodge, die seit Corona von digitalen Nomaden gut gebucht ist.
An dem Abend also sassen in einem japanischen Restaurant auf Sansibar Frauen aus ganz verschiedenen Welten an einem Tisch, die frei gewählt haben, wo und wie sie ihr Leben führen wollen.
Am gleichen Tag war in Europa ein Krieg ausgebrochen, der über 40 Millionen Menschen von einem Moment auf den nächsten das Recht auf ein freiheitliches Leben raubte.