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Die Verzerrungsprofiteure

Zu Nassim Taleb und Mark Spitznagel

Sie nannten sich die «Krisenjäger». Nassim Nicholas Taleb heuerte 1999 den 28jährigen Mark Spitznagel an, um den Schutz vor extremen Risiken zu perfektionieren. Der junge Trader Spitznagel hatte sich in den 1990er Jahren an der «Chicago Board of Trade» antrainiert, über längere Zeit der Verlockung von Aufwärtstrends zu widerstehen – um dann bei Markteinbrüchen grosse Gewinne zu machen. Die Selbstdisziplin zahlte sich aus. Während des Platzens der Dotcom-Blase erlegten die beiden Krisenjäger grosse Beute. 

2005 zog Spitznagel aus, um seine eigene Investmentfirma aufzubauen. Der blonde Yoga-Praktiker aus dem Mittleren Westen und der bärtige Mathematiker aus dem Libanon blieben einander verbunden. Der Autor Malcolm Gladwell schilderte das Verhältnis zwischen den beiden mit einer imaginären Konfliktszene: «In a bar, Taleb would pick a fight. Spitznagel would break it up.» Der Ältere begann während der Finanzkrise damit, Bücher über Unsicherheit zu schreiben. Der Jüngere setzte Teile der popularisierten Theorie des Älteren in die Praxis um.

Nachdem Spitznagel mit seiner Tail-Hedge-Strategie einige Milliarden Dollar verdient hatte, schlüpfte auch er in die Autorenrolle und schrieb das im Oktober 2013 erschienene Buch «The Dao of Capital». Darin stimmt er einen überschwenglichen Lobgesang auf die «Austrian School of Economics» an. Der Gedanken dahinter entspricht dem, was Physiker heute «komplexe adaptive Systeme» nennen: Die Märkte sind verzerrt, doch letztlich werden sich die Kräfte durchsetzen, die die dynamischen Systeme der Kapitalmärkte zum Zustand eines stets labilen Gleichgewichts zurückführen.

Obschon sich Spitznagel stets nach «puren» Märkten sehnt, weiss er davon zu profitieren, dass es solche in der Realität nicht gibt. Denn es gehört wohl zur Selbstüberschätzung des Menschen, dass er immer wieder auf die Heilungskraft der Interventionen von Zentralbanken und anderen Autoritäten hofft. Spitznagels erste daraus folgende Lektion ist simpel: Halte dich fern von Kapitalmärkten, wenn Zentralbanker Zauberlehrlinge spielen. Die zweite Lektion lautet: und willst du dich nicht fernhalten, so sichere dich ab, indem du in dein Portfolio Put-Optionen einbaust, die dich vor extremen Börsenabstürzen schützen.

Es bedarf einer gehörigen Portion Autismus, um sich dem Treiben der Märkte über längere Zeit entziehen zu können.
Und viel Selbstdisziplin. Über beides scheint Spitznagel in genügendem Masse zu verfügen. Die meisten von uns sind von sofortigen Gewinnen geleitet. Diese können durch einen Börsensturz jederzeit hinweggerafft werden. Wer sich für spätere Gelegenheiten positionieren will, findet in Spitznagels Investitionsphilosophie nützliche Wegweiser.

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