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Die Verwaltung sitzt nicht gern im Glashaus
Isabelle Häner, zvg.

Die Verwaltung sitzt nicht gern im Glashaus

Das Öffentlichkeitsprinzip hat die Informationsgerechtigkeit zwischen der Allgemeinheit und den Behörden verbessert. Diese versuchen jedoch immer wieder, das Prinzip durch die Gesetzgebung zu schwächen. Es gilt, wachsam zu bleiben.

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Das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung zielt darauf, die Informationsgerechtigkeit zwischen der Allgemeinheit und der Verwaltung herzustellen. Informationsgerechtigkeit wird hier verstanden als eine ausgeglichene Informiertheit der Verwaltungsbehörden auf der einen Seite und der Allgemeinheit auf der anderen Seite. Das Recht stellt diese Informationsgerechtigkeit dadurch sicher, dass einer Einzelperson Zugang zu den in der Verwaltung vorhandenen Akten und Informationen, wozu auch elektronisch gespeicherte Informationen gehören, zu gewähren ist. Das Gesetz oder teilweise sogar die Kantonsverfassungen gewähren jeder Person einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Zugang zu den Verwaltungsakten. Die gesuchstellende Person muss ihrerseits keine Gründe angeben, weshalb sie das Gesuch stellt und wozu sie die Information braucht. Insoweit ist der Zugang an keine Voraussetzung gebunden. Gewisse Einschränkungen bringt einzig die Bedingung, dass es sich um ein fertiggestelltes Aktenstück handeln muss und es sich nicht um persönliche Notizen der Verwaltungsangestellten handelt. Die ersuchte Verwaltungsstelle muss das Gesuch prüfen und kann es nur dann ablehnen, wenn überwiegende Geheimhaltungsgründe der Verwaltungsöffentlichkeit entgegenstehen.

Lange Tradition öffentlicher Gerichte und Parlamente

Die Justizöffentlichkeit und die Parlamentsöffentlichkeit existieren seit der Französischen Revolution. Dass die kantonalen Verwaltungen wie auch die einzelnen Ämter in der Bundesverwaltung von dem Ansinnen, das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung ebenfalls einzuführen, zunächst wenig begeistert waren, liegt auf der Hand. Für das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates ist jedoch das Öffentlichkeitsprinzip auch in der Verwaltung von grundlegender Bedeutung. Es geht um die Kontrolle des Verwaltungshandelns durch die Öffentlichkeit und um die fundierte Abstützung der Meinungs- und Willensbildung der Öffentlichkeit und der Stimmberechtigten. Das Öffentlichkeitsprinzip dient aber auch der Wissenschaft und der Wirtschaft. Die Staatsverwaltung hat mittlerweile ein kaum noch in allen Teilen übersehbares Gewicht in der gesamten Staatsorganisation erhalten und verfügt über ein immens grosses Expertenwissen. Den Medien ist es mehrmals gelungen, unlauteres Handeln von Behörden und Privaten bei öffentlichen Beschaffungen insbesondere im IT-Bereich aufzudecken. Das zeigt, dass die Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit, heute sehr häufig durch Journalistinnen und Journalisten ausgeübt, von grosser Bedeutung ist. Die Verwaltung kommt jedoch dem Bedürfnis nach Information auch weit entgegen, indem Rohdaten im Sinne von Grundlagendaten elektronisch über Open-Data-Portale zugänglich gemacht werden, was namentlich für die Wissenschaft und die Wirtschaft von grossem Wert ist.

«Den Medien ist es ­mehrmals gelungen, ­unlauteres Handeln

von Behörden und ­Privaten bei öffent­lichen Beschaffungen

insbesondere im IT-­Bereich aufzudecken.»

Die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips auf Bundesebene verlief eher harzig. Es dauerte über 20 Jahre von den ersten Vorstössen im Parlament 1980 bis 2004, als das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) von der Bundesversammlung verabschiedet wurde. Als Pionierkanton ist Bern zu erwähnen, der das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung bereits 1993 in seine damals neue Kantonsverfassung schrieb. Allerdings verzeichnete die kantonale Verwaltung in Bern anfänglich kaum Informationsanfragen von den Medien.

Reger Gebrauch

Heute zeigt sich ein ganz anderes Bild. Privatpersonen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), vor allem aber Journalisten machen vom Recht auf Zugang zu den Verwaltungsakten rege Gebrauch. Wird die Akteneinsicht von der angefragten Verwaltungsbehörde abgelehnt, werden die Gerichte angerufen. Häufig befasst sich auch das Bundesgericht mit der Verwaltungsöffentlichkeit. Die Gerichtspraxis hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich der anfängliche Widerstand in der Verwaltung, jedes Gesuch um Aktenzugang möglichst abzulehnen, gelegt hat. Die Spielregeln in den verschiedenen Verwaltungen sind heute recht gut verankert, selbst auf Gemeindestufe.

Die Gerichtspraxis hat nämlich schon früh klargestellt, dass die Öffentlichkeit der Verwaltung die Regel und die Geheimhaltung die Ausnahme ist. Dies trifft denn auch zu, wurde doch mit der Einführung der Verwaltungsöffentlichkeit die Regel der grundsätzlichen Geheimhaltung in der Verwaltung umgekehrt. Das hat zur Folge, dass geltend gemachte Geheimhaltungsgründe, zum Beispiel der Schutz der Persönlichkeit von Dritten oder der Schutz eines Geschäftsgeheimnisses, dem Öffentlichkeitsprinzip nicht mehr entgegengehalten werden können, wenn sie nicht ausreichend bewiesen sind. So muss unter Umständen ein Vertrag, zum Beispiel ein Softwareentwicklungsvertrag zwischen der Verwaltung und einem Unternehmen, das im Beschaffungsverfahren den Zuschlag erhalten hat, einer Journalistin ganz oder teilweise offengelegt werden. Weil die Geheimhaltung nunmehr die Ausnahme darstellt, muss eine mögliche Beeinträchtigung zum Beispiel der Persönlichkeit einer Drittperson oder des Geschäftsgeheimnisses einer Firma so weit bewiesen werden, dass eine Verletzung konkret und unmittelbar bevorsteht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch eintreten wird. An dieser Beweisführung scheitern die Drittbetroffenen, die sich auf den Persönlichkeitsschutz oder auf das Geschäftsgeheimnis berufen, sehr häufig.

«Die Gerichtspraxis hat schon früh ­klargestellt, dass die Öffentlichkeit

der Verwaltung die Regel und die Geheimhaltung die Ausnahme ist.»

Diese sehr strenge Gerichtspraxis wiederum hat zur Folge, dass die Verwaltungsbehörden zum Teil auch von sich aus vorab Informationen über ihre Webseite zugänglich machen, die auch konkrete Personennamen enthalten können, zum Beispiel Listen von Firmen, die um eine Exportbewilligung für Rüstungsgüter nachsuchten.

Sonderbehandlung für Finma

Dass jedoch der Widerstand in der Verwaltung streckenweise nach wie vor vorhanden ist, zeigt sich auf Bundesebene, wo der Aktenzugang der Öffentlichkeit nicht auf Verfassungsstufe festgeschrieben ist, sondern einzig auf Stufe des Gesetzes. Verwaltungsstellen in der Bundesverwaltung, die heute regelmässig die Entwürfe zu den Bundesgesetzen schreiben, versuchen immer wieder, über das Gesetzgebungsverfahren Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip zu ganzen Sachbereichen in der Verwaltung durchzusetzen. Zuweilen ist das Vorgehen erfolgreich, zuweilen wird es von den Parlamentarierinnen und Parlamentariern aber auch aufgedeckt und wieder gestrichen. Letzteres war der Fall bei der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen. Dort enthielt ein erster Entwurf eine Bestimmung, dass das Öffentlichkeitsprinzip bei öffentlichen Beschaffungen des Bundes nicht mehr gelten soll, obwohl die Medien ja gerade dort eine wirksame Kon­trolle ausgeübt haben und gravierende Ungereimtheiten bei öffentlichen Beschaffungen aufdecken konnten. Das Finanzmarktaufsichtsgesetz hingegen nimmt die Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finma) von der Geltung des Öffentlichkeitsprinzips generell aus, was gerade im Hinblick auf ihre national wie international relevante Funktion für die Finanzstabilität nicht überzeugt.

Die restriktive Handhabe der Geheimhaltungsgründe, die dem Öffentlichkeitsprinzip entgegenstehen können, hat aber sehr wohl einschneidende Konsequenzen, die auch in den Arbeitsalltag der Verwaltungsangestellten eingreifen. So sind ihre E-Mails unter Umständen öffentlich. Allfällige persönliche Bemerkungen zum Beispiel
einer Amtschefin zu einem Vorkommnis können so für
die öffentliche Wahrnehmung vollkommen deplatziert wirken, auch wenn sie für die Adressaten eher als humoristische Einlage gemeint waren. Nicht immer sind sich die Verwaltungsangestellten dessen bewusst. Auch Protokolle aus internen Sitzungen in der Verwaltung sollten gegebenenfalls öffentlich zugänglich gemacht werden. Es soll hier nicht vorgeschlagen werden, den Informationsaustausch wieder vermehrt auf einen mündlichen Austausch zu beschränken. Gleichwohl braucht es die Disziplin, persönliche Bemerkungen in den E-Mails zu unterlassen. Ebenso sind Protokolle so abzufassen, dass sie von aussenstehenden Dritten stets eingesehen werden können.

Nach bald zwanzig Jahren seit Inkrafttreten des BGÖ lässt sich feststellen, dass dieses
Gesetz, das in der Gerichtspraxis differenziert und zugunsten des Öffentlichkeitsprinzips ausgelegt wird, indem die Ausnahmegründe restriktiv gehandhabt werden, sich in der Verwaltung insgesamt gut eingespielt hat. Der Gesetzgeber und namentlich die Politik müssen aber ein wachsames Auge darauf haben, dass die Verwaltung, die heute praktisch im Alleingang Gesetzestexte entwirft (was mit Blick auf die Gewaltenteilung nicht ganz unproblematisch ist), nicht plötzlich einen generellen Ausschluss des Öffentlichkeitsprinzips für einen bestimmten Sachbereich in einen Gesetzesentwurf hineinschreibt

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