
Die Verwaltung sitzt nicht gern im Glashaus
Das Öffentlichkeitsprinzip hat die Informationsgerechtigkeit zwischen der Allgemeinheit und den Behörden verbessert. Diese versuchen jedoch immer wieder, das Prinzip durch die Gesetzgebung zu schwächen. Es gilt, wachsam zu bleiben.
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Das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung zielt darauf, die Informationsgerechtigkeit zwischen der Allgemeinheit und der Verwaltung herzustellen. Informationsgerechtigkeit wird hier verstanden als eine ausgeglichene Informiertheit der Verwaltungsbehörden auf der einen Seite und der Allgemeinheit auf der anderen Seite. Das Recht stellt diese Informationsgerechtigkeit dadurch sicher, dass einer Einzelperson Zugang zu den in der Verwaltung vorhandenen Akten und Informationen, wozu auch elektronisch gespeicherte Informationen gehören, zu gewähren ist. Das Gesetz oder teilweise sogar die Kantonsverfassungen gewähren jeder Person einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Zugang zu den Verwaltungsakten. Die gesuchstellende Person muss ihrerseits keine Gründe angeben, weshalb sie das Gesuch stellt und wozu sie die Information braucht. Insoweit ist der Zugang an keine Voraussetzung gebunden. Gewisse Einschränkungen bringt einzig die Bedingung, dass es sich um ein fertiggestelltes Aktenstück handeln muss und es sich nicht um persönliche Notizen der Verwaltungsangestellten handelt. Die ersuchte Verwaltungsstelle muss das Gesuch prüfen und kann es nur dann ablehnen, wenn überwiegende Geheimhaltungsgründe der Verwaltungsöffentlichkeit entgegenstehen.
Lange Tradition öffentlicher Gerichte und Parlamente
Die Justizöffentlichkeit und die Parlamentsöffentlichkeit existieren seit der Französischen Revolution. Dass die kantonalen Verwaltungen wie auch die einzelnen Ämter in der Bundesverwaltung von dem Ansinnen, das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung ebenfalls einzuführen, zunächst wenig begeistert waren, liegt auf der Hand. Für das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates ist jedoch das Öffentlichkeitsprinzip auch in der Verwaltung von grundlegender Bedeutung. Es geht um die Kontrolle des Verwaltungshandelns durch die Öffentlichkeit und um die fundierte Abstützung der Meinungs- und Willensbildung der Öffentlichkeit und der Stimmberechtigten. Das Öffentlichkeitsprinzip dient aber auch der Wissenschaft und der Wirtschaft. Die Staatsverwaltung hat mittlerweile ein kaum noch in allen Teilen übersehbares Gewicht in der gesamten Staatsorganisation erhalten und verfügt über ein immens grosses Expertenwissen. Den Medien ist es mehrmals gelungen, unlauteres Handeln von Behörden und Privaten bei öffentlichen Beschaffungen insbesondere im IT-Bereich aufzudecken. Das zeigt, dass die Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit, heute sehr häufig durch Journalistinnen und Journalisten ausgeübt, von grosser Bedeutung ist. Die Verwaltung kommt jedoch dem Bedürfnis nach Information auch weit entgegen, indem Rohdaten im Sinne von Grundlagendaten elektronisch über Open-Data-Portale zugänglich gemacht werden, was namentlich für die Wissenschaft und die Wirtschaft von grossem Wert ist.
«Den Medien ist es mehrmals gelungen, unlauteres Handeln
von Behörden und Privaten bei öffentlichen Beschaffungen
insbesondere im IT-Bereich aufzudecken.»
Die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips auf Bundesebene verlief eher harzig. Es dauerte über 20 Jahre von den ersten Vorstössen im Parlament 1980 bis 2004, als das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) von der Bundesversammlung verabschiedet wurde. Als Pionierkanton ist Bern zu erwähnen, der das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung bereits 1993 in seine damals neue Kantonsverfassung schrieb. Allerdings verzeichnete die kantonale Verwaltung in Bern anfänglich kaum Informationsanfragen von den Medien.
Reger Gebrauch
Heute zeigt sich ein ganz anderes Bild. Privatpersonen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), vor allem aber Journalisten machen vom Recht auf Zugang zu den Verwaltungsakten rege Gebrauch. Wird die Akteneinsicht von der angefragten Verwaltungsbehörde abgelehnt, werden die Gerichte angerufen. Häufig befasst sich auch das Bundesgericht mit der Verwaltungsöffentlichkeit. Die Gerichtspraxis hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich der anfängliche Widerstand in der Verwaltung, jedes Gesuch um Aktenzugang möglichst abzulehnen, gelegt hat. Die Spielregeln in den verschiedenen Verwaltungen sind heute recht gut verankert, selbst auf Gemeindestufe.
Die Gerichtspraxis hat nämlich schon früh klargestellt, dass die Öffentlichkeit der Verwaltung die Regel und die Geheimhaltung die Ausnahme ist. Dies trifft denn auch zu, wurde doch mit der Einführung der Verwaltungsöffentlichkeit die Regel der grundsätzlichen Geheimhaltung in der Verwaltung umgekehrt. Das hat zur Folge, dass geltend gemachte Geheimhaltungsgründe, zum Beispiel der Schutz der Persönlichkeit von Dritten oder der Schutz eines Geschäftsgeheimnisses, dem Öffentlichkeitsprinzip nicht mehr…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1109 – September 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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