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Die Verlockung des Anderswo

Nicolas Bouvier: «Lob der Reiselust». Basel: Lenos, 2007.

«Es gibt Schriftsteller, die brauchen Geographien, und andere brauchen Konzentration: Reisende und Seher also. Ich gehöre zur Familie ersterer.» Wenige Jahre vor seinem Tod schildert Nicolas Bouvier in «Lob der Reiselust» Begegnungen von unterwegs und lässt uns teilhaben an seiner lebenslangen «Ungeduld, die Welt zu erfahren». Mit dem Segen seines Beamtenvaters, der nicht so viel gereist ist, wie er es sich gewünscht hat, und der zu seinem Sohn sagt: «Schau dich um, und schreib mir», zieht Bouvier los, auf der Jagd nach dem Leben, von dem er kiloweise haben will, obschon er ahnt, dass er «in dieser trügerischen Welt nur ein paar Gramm bekommen» wird. Nach der Rückkehr von seiner legendären Reise nach Afghanistan 1953/54 wird ihm klar, dass er all diesen Orient nicht in seinem Kopf speichern kann, «sonst würde er platzen wie ein überreifer Kürbis». Also beginnt Bouvier zu erzählen. Von Fernweh und Unrast. Von diesem Planeten, der weit überraschender, erstaunlicher, grausamer, bunter, grosszügiger sei als der «naive kolorierte Bilderbogen», den er sich von ihm gemacht habe. In dreizehn wundervollen Texten würdigt Bouvier die «Verlockung des Anderswo». Er zahlt Schulden zurück an orientalische Geschichtenerzähler und an Gobineau, der ihm «das grosse Kolonialwarengeschäft der Adjektive geöff net» habe. Er bricht eine Lanze für Sprichwörter, die, im richtigen Moment plaziert, signalisierten, dass man die Komik oder den Ernst der Situation erfasst habe. Im Okzident komme ein Unglück selten allein, im Orient sei es «ein Wespenstich in einem weinenden Gesicht».

Er muss ein schrecklich sympathischer Tourist gewesen sein, dieser Nicolas Bouvier. besprochen von Christoph Simon, Bern

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