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Die UNO-Konventionzur Cyberkriminalität ist ein globaler Überwachungspakt
Pascal Fouqet, zvg.

Die UNO-Konventionzur
Cyberkriminalität ist ein
globaler Überwachungspakt

Ein neues Abkommen will eine umfassende digitale Kontrolle aller Menschen und ihrer Handlungen ermöglichen. Auch die Schweiz macht mit und wird damit zur Handlangerinvon autoritären Staaten.

Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände und Computerexperten warnen eindringlich vor der UNO-Cybercrime-Konvention. Sie schafft nicht nur massive Überwachungsbefugnisse, sondern ermöglicht es Regierungen weltweit, globale Kontrollmechanismen einzusetzen, um gezielt gegen Dissidenten, Journalisten, Whistleblower und weitere unliebsame Personen vorzugehen.

Die Konvention ignoriert grundlegende Menschenrechte wie Meinungsfreiheit oder Privatsphäre und versäumt es, Datenschutzprinzipien zur Verhinderung von Machtmissbrauch festzulegen. Die Durchsetzung des Abkommens führt zur Einsetzung einer weltweiten Infrastruktur, die sämtliche digitalen Interaktionen erfassen und protokollieren kann. Eine Bedrohung, die jeden Menschen der Welt betrifft – von Tahiti bis ­Zürich. Die UNO-Konvention zur Cyberkriminalität ist ein globaler Überwachungspakt.

«Die Konvention ignoriert grundlegende Menschenrechte wie

Meinungs­freiheit oder Privatsphäre und versäumt es,

Datenschutzprinzipien zur Verhinderung von Machtmissbrauch

festzulegen.»

Es ist nicht die erste Konvention. Mit der rasanten Verbreitung des Internets in den 1990er-Jahren kam es auch zu schädlichen Handlungen mit Hilfe der neuen Technologie. Um diese einzudämmen, brachte der Europarat die Budapest-Konvention auf den Weg. Darin enthalten sind sowohl konkrete Straftatbestände als auch das Verfahrensrecht, das regelt, mit welchen Befugnissen diese verfolgt werden sollen. 2004 in Kraft getreten, schlossen sich weitere, hauptsächlich westlich-demokratische Staaten an.

2019 verabschiedeten Russland, China, Iran und weitere Nichtunterzeichner der Budapest-Konvention ihrerseits eine UNO-Resolution gegen Cyberkriminalität. Während die Unterzeichner der Budapest-Konvention grundsätzlich ein ähnliches Rechtsverständnis haben, setzt sich die UNO aus deutlich heterogeneren Staaten zusammen, was am Ende in einem Werk resultierte, das westlichen Werten wie Freiheit, Demokratie und Privatsphäre wenig Platz einräumte. In den Verhandlungen für die neue Konvention wurde gar versucht, Blasphemie aufzunehmen. Die Cybercrime-Konvention stellt den kleinsten gemeinsamen Nenner der Menschenrechte dar und widerspiegelt damit zwangsläufig das Grundrechtsniveau autoritärer Staaten und Diktaturen.

Die Budapest-Konvention betrifft nur Straftaten, die mit einem Computer verübt werden können. Die UNO-Cybercrime-Konvention geht einen Schritt weiter und umfasst auch «analoge» Straftaten, die man mit der Technologisierung zunehmend besser überwachen kann.

Totale Echtzeitüberwachung

Am 8. August 2024 verabschiedete das vorberatende Komitee, weitgehend unbemerkt von der Schweizer Bevölkerung, den finalen Text, der den internationalen Rechtsrahmen für Strafverfolgungsbehörden bilden soll. Dieser beinhaltet nicht nur die Echtzeiterfassung, wer mit wem kommuniziert (Vorratsdatenspeicherung) und was dabei besprochen wird (Chatkontrolle), sondern auch die Überwachung aller Finanzströme. Zusätzlich sollen Social-Media-Posts, -Bilder oder -Videos systematisch auf Urheberrechtsverstösse hin analysiert werden. Besorgniserregend ist auch, dass Journalisten weltweit daran gehindert werden sollen, mit Whistleblowern zusammenzuarbeiten.

Man sollte meinen, dass die Schweiz, die gerne als Hort der Grund- und Menschenrechte bezeichnet wird, gegen dieses Vorhaben Sturm läuft. Tatsächlich konnten sich die westlichen Staaten lange Zeit nur mässig für den Überwachungspakt erwärmen. Sie wurden dann mit einem Passus beschwichtigt, man möge doch bitte bei all der Totalüberwachung die Grund- und Menschenrechte achten.

Was letztlich eine Farce ist; schliesslich werden viele der vorgesehenen Überwachungsmassnahmen in der Schweiz längst praktiziert oder stehen auf der Wunschliste des Nachrichtendienstes oder der Polizei. Vorratsdatenspeicherung und Kabelaufklärung werden seit Jahren eingesetzt. Nur bei der Chatkontrolle ruderte das EJPD nach Widerstand in der Vernehmlassung zurück. Auch eine Plattformhaftung soll noch dieses Jahr in die Konsultation gehen. Mit der geplanten E-ID könnte die Überwachung unserer digitalen Handlungen vereinfacht werden.

Mit der Konvention erhalten viele Eingriffe in das Grundrecht der Privatsphäre, die in den letzten Jahren erfolgreich verhindert werden konnten, den Segen. Den Segen der UNO, die eigentlich unsere Menschenrechte schützen sollte.

Symbolisches Feigenblatt

Die Schweizer Delegation hat der Konvention nur mit Bauchschmerzen zugestimmt, sie dann aber dennoch gemeinsam mit autoritären Staaten unter Applaus verabschiedet. Die Regime freuen sich: Sie können in Zukunft Andersdenkende auf der ganzen Welt verfolgen. Westliche Staaten werden auch dann Rechtshilfe leisten müssen, wenn die vorgeworfenen Handlungen nach den eigenen Rechtsnormen gar nicht strafbar sind.

«Die Regime freuen sich: Sie können in Zukunft Anders­denkende auf der ganzen Welt verfolgen.»

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen dürfte dem Überwachungspakt endgültig zustimmen – eine Ablehnung wäre nach den jahrelangen Verhandlungen ungewöhnlich. Es wird ein schwarzer Tag für die Demokratien der Welt.

Auch die Schweiz wird dem Überwachungspakt zustimmen und sich damit zur Handlangerin repressiver Regime und autoritärer Machthaber machen. Es zeigt, wie weit die Unterwanderung der Demokratien durch autoritäre Überwachungsmechanismen bereits fortgeschritten ist.

Es bleibt nur noch zu hoffen, dass sich Bundesrat und/oder Parlament eines Besseren besinnen und sich gegen eine Umsetzung auf nationaler Ebene stemmen werden.

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