Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Die Tragik des Bargeldes

Wie der Staat den bar zahlenden Bürger zum potentiellen Geldwäscher erklärt

Der Bundesrat macht Bargeld zum tragischen Medium. In seinem Aufsatz «Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen» beschreibt Friedrich Schiller eine Situation als tragisch, in der eine moralische Zweckmässigkeit einer anderen, die höher einzustufen ist, «aufgeopfert wird». Der Protagonist wird in einer gegebenen Situation also dann zu einer tragischen Figur, wenn er sich unversehens in einem Widerstreit gegensätzlicher Verpflichtungen wiederfindet – ohne Entrinnen. Was auch immer er tut, es wird die falsche Entscheidung gewesen sein.

Ich erzähle dazu eine kleine Geschichte.

Die Tragik des Bargeldes zeigt sich in der Geschichte vom Verkauf des Rennpferdes Tragikos II durch Banker und Rennpferdbesitzer Kohlhammer.

Wir schreiben den September 2014, Bargeldzahlungen über 100 000 Franken sind in der Schweiz nicht mehr zulässig. Das Rennpferd Tragikos II gewinnt überraschend das Jagdrennen um den Grossen Preis der Stadt Zürich in Dielsdorf. Nach dem Rennen bietet der Rosshändler Wenzel dem Pferdebesitzer Kohlhammer für dessen Tier 120 000 Franken. Dies ist ein hoher Preis für ein bisher wenig bekanntes Pferd. Kohlhammer willigt ein. Man einigt sich per Handschlag. Der Rosshändler zählt dem Pferdebesitzer 120 Tausendernoten in die Hand. Kohlhammer erblasst. Als Banker weiss er, dass seit der Inkraftsetzung des neuen Artikels 2c des Geldwäschereigesetzes vorgeschrieben ist1, dass «beim Kauf einer beweglichen Sache die Zahlung des Teils des Kaufpreises, der 100 000 Franken übersteigt, über einen Finanzintermediär nach diesem Gesetz abgewickelt» werden muss. Tragikos II ist fürwahr beweglich. Kohlhammer will deshalb nur einhundert Tausendernoten, 20 000 Franken will er auf sein Konto überwiesen haben. Der Rosshändler lehnt dies ab. Er vertraue den Banken nicht und habe kein Bankkonto.

Nun präsentiert der Rosshändler dem Banker das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel und verweist auf Artikel 3. Dort steht: «Schweizerische Banknoten müssen von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden.» Der Rosshändler verlangt, dass sich Kohlhammer an dieses Gesetz halte, sonst erstatte er bei der Finanzaufsichtsbehörde Finma Anzeige gegen den Banker. Kohlhammer riskiert mit seiner Gesetzeswidrigkeit ein Berufsverbot von bis zu fünf Jahren.

Selbstverständlich riskiert der Banker wegen Verstosses gegen das Geldwäschereigesetz auch ein Berufsverbot, wenn er die 120 Tausendernoten akzeptiert. Das ist echte Tragik. Hätte sein Pferd Tragikos II doch das Rennen nur nie gewonnen.

Wie kommt Geld zur tragischen Rolle?

Geld ist definiert als Zahlungsmittel, das im Rahmen des nationalen Zahlungsverkehrs generell zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen und zur Abdeckung anderer Verpflichtungen akzeptiert wird. Gemäss der volkswirtschaftlichen Lehre hat Geld zusätzlich zu seiner Rolle als Zahlungsmittel auch zwei weitere ökonomische Funktionen: Es dient als Mittel zur Wertaufbewahrung und als Recheneinheit. Geld ist damit ein zentrales Medium der modernen Wirtschaft. Diese zentrale Rolle verhilft ihm zu einer vierten Funktion: Es wird zum Machtinstrument des Staates und dient nach innen zur Überwachung der Bürger und nach aussen zur Durchsetzung nationaler Interessen.

Praktisch existiert Geld in den Grundformen von Bargeld, das heisst Banknoten und Münzen, und Buchgeld, das heisst Bankguthaben. Schweizer Banknoten sind in der Schweiz offizielles Zahlungsmittel und müssen von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden. Bargeld in der Form von Noten und Münzen ist ohne Ausfallrisiko, denn Herausgeber und Schuldner sind die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Eidgenossenschaft. Buchgeld in Form von Kontoguthaben bei einer Bank ist dagegen kein gesetzliches Zahlungsmittel. Es besteht keine Annahmepflicht. Buchgeld ist dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Banken ausgesetzt. Zudem zeigt die jüngste Geschichte von Zypern, dass Staaten Kontoguthaben gerne beschlagnahmen. Dafür ist die Verwendung von Buchgeld oft bequemer und günstiger als Bargeld.

Bargeld hat neben der Sicherheit den Vorteil der Anonymität. Es hinterlässt keine Spuren. Beim Buchgeld geben der Bezahlende und der Zahlungsempfänger ihre Anonymität preis, sie hinterlassen elektronische Spuren, die nicht nur von ihren eigenen Banken, sondern auch von anderen Finanzinstituten, Dienstleistungsunternehmen und Geheimdiensten eingesehen und verfolgt werden können. In den letzten Jahren wurden international neue Regeln eingeführt, damit die Zahlungsaufträge möglichst alle Informationen enthalten, welche die Staaten interessieren könnten.

Die Verteufelung des Bargeldes

Es ist die Qualität der Anonymität des gesetzlichen Zahlungsmittels, welche das Bargeld bei den angeblich freiheitlichen Staaten des Westens in Verruf gebracht hat. Begonnen hat die Ächtung des Bargeldes vor gut 40 Jahren, als die USA eine neue Kategorisierung des Geldes einführten: sauberes Geld und schmutziges Geld. Die Definition des schmutzigen wird den staatlichen Wünschen angepasst. Da Geld nicht stinkt, wird die Unterscheidung aufgrund der Herkunft oder der Verwendung getroffen. Und da weder Herkunft noch Verwendung beim Bargeld festgestellt werden können, gilt Bargeld seither bei den politisch Mächtigen als verdächtig und schmutzig.

International begann der Kampf gegen das Bargeld 1988 durch die UNO-Konvention zur Bekämpfung des Drogenhandels. Ein Jahr später wurde eine Kampftruppe zur Geldwäschereibekämpfung eingesetzt, die Financial Action Task Force (FATF) oder Groupe d’action financière (GAFI). Die FATF ist seither verantwortlich für die Entwicklung immer neuer polizeistaatlicher Methoden im Finanzbereich, die sie in der Form von Empfehlungen publiziert und überwachen lässt. Eine Stossrichtung der FATF ist die Einschränkung der Verwendung von Banknoten und Münzen. Der Zahlungsverkehr soll über Bankkonten abgewickelt werden. Die Banken, die ihre Kunden kennen, werden als Hilfspolizisten verpflichtet, deren Zahlungsverkehr zu überwachen und staatlichen Stellen Meldungen zu erstatten. Vorerst geschah das unter dem Vorwand des Kampfes gegen Drogenhandel, organisiertes Verbrechen und Terrorismus. Heute fordern Staaten ganz generell das Recht zur finanziellen Überwachung ihrer eigenen Bürger und auch derjenigen anderer Länder. Der Staat führt den Bürger wieder zum Untertanen zurück. Die Banken mutieren vom Vertrauten ihrer Kunden zum Geheimpolizisten gegen ihre Kunden.

Bargeld in der Schweiz

Auch in der Schweiz ist die Bargeldverwendung eingeschränkt und reglementiert. Bei Kassageschäften über 25 000 Franken müssen die Banken die Vertragspartner und die wirtschaftlich Berechtigten feststellen, bei Geldwechselgeschäften schon ab einer Limite von 5000 Franken. Bargeldübertragungen von mehr als 5000 Franken mit Personen ohne dauerhafte Geschäftsbeziehung erfordern die Abklärung des wirtschaftlichen Hintergrundes. Im grenzüberschreitenden Verkehr in die Nachbarstaaten müssen Personen bei Ein-, Aus- und Durchfuhr von Barmitteln von über 10 000 Franken der Zollstelle Auskunft erteilen. Die internen Weisungen vieler Banken gehen oft weit über diese Vorschriften hinaus.

Wieso soll das Geschäft zwischen Pferdebesitzer Kohlhammer und Rosshändler Wenzel auf der Rennbahn in Dielsdorf kriminalisiert werden? Wieso sollen die Bargeldkäufe in der ganzen schweizerischen Wirtschaft durch die Aufnahme des neuen Artikels 2c über die Zahlung von Kaufgeschäften ins Geldwäschereigesetz eingefügt werden? Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) schreibt dazu im erläuternden Bericht vom 27. Februar 2013: «Die Schweiz misst dem Erhalt eines gesunden Finanzplatzes grosse Bedeutung bei. Vor dem Hintergrund einer sich stetig wandelnden Kriminalität passt sie ihre vor mehr als 25 Jahren eingeführte Gesetzgebung regelmässig an, um die Integrität des Finanzplatzes zu wahren und zu verhindern, dass dieser für kriminelle Zwecke, namentlich für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, missbraucht wird.» Im einzelnen führt das EFD aus, dass «im heutigen Wirtschaftsleben im Kaufgeschäft Bargeldzahlungen grösseren Umfangs unüblich seien und aus Sicht der Geldwäscherei als verdächtig erscheinen müssen».2 Das ist die obrigkeitliche Meinung zur Verwendung eines gesetzlichen Zahlungsmittels.

Hinter der vorgeschlagenen Änderung des Geldwäschereigesetzes steckt freilich mehr. Bisher gilt das Geldwäschereigesetz nur für Finanzintermediäre. Die neuen Vorschriften sollen jedoch nun für jedermann gelten. Damit öffnet der Bundesrat die Büchse der Pandora. Der Geist des Misstrauens, der die Geldwäschereigesetzgebung im Bereich der Finanzintermediäre prägt, wird auf die ganze Wirtschaft und Bevölkerung ausgedehnt. Ehrlicherweise sollte der Bundesrat gleichzeitig den Grundsatz «Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben» aus der Bundesverfassung streichen lassen. Die neue Vorschrift ersetzt Vertrauen durch Misstrauen.

Das bringt die Zukunft

Bargeld gewährt Sicherheit und Anonymität. Deshalb gelten Bargeldtransaktionen als verdächtig und rufen nach Einschränkung und Überwachung. Doch Geld ist nicht nur Zahlungsmittel, sondern dient auch der Wertaufbewahrung. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat der Umlauf der Schweizer Banknoten stärker zugenommen als die Wirtschaftsleistung, Bargeld dient vermehrt als sichere und anonyme Wertanlage. Tausendfrankennoten werden nur selten für Zahlungen verwendet. Trotzdem beläuft sich der Wert der umlaufenden Tausendernoten auf 33 Milliarden Franken, gut 60 Prozent des gesamten Notenumlaufs.3 Die Noten liegen grösstenteils in privaten Tresorfächern bei Banken. Als nächstes wird der Bundesrat wohl auch den Besitz von Bargeld kriminalisieren, um «die Integrität des Finanzplatzes zu wahren».

 

 


 

1 www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2309/GAFI-2012_Entwurf-BG_de.pdf
2 http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2309/GAFI-2012_Erl-Bericht_de.pdf
3 http://www.snb.ch/de/iabout/cash/id/cash_circulation

 

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!