Die SRG: So viel Kritik wie noch nie
Eine kurze Hinführung.
In den 85 Jahren seit ihrer Gründung sah sich die SRG noch nie vor eine derart existenzielle Herausforderung gestellt. Mit der Volksinitiative «No-Billag», die in den nächsten Jahren zur Abstimmung gelangt, würde gleich das ganze Mediensystem auf den Kopf gestellt – und die SRG in ihrer heutigen Form wäre Geschichte.
Zwar hagelte es immer wieder harsche Kritik, aber so unüberhörbar und omnipräsent wie in den letzten Jahren artikulierte sich die Ablehnung eines Medienmodells mit einem starken Service-public-Anbieter noch nie. Was ist passiert? Bereits 1993 scheiterte die Initiative «für eine freiheitliche Medienordnung ohne Medienmonopole», die eine reine Marktfinanzierung von Radio und Fernsehen in der Schweiz gefordert hatte, im Sammelstadium. 1980 brachte ein Volksbegehren zur Aufhebung des SRG-Monopols ebenfalls die erforderlichen Unterschriften nicht zusammen. Zwei Anläufen einer Einzelperson zur Abschaffung der Empfangsgebühren sollte es in den letzten Jahren nicht besser ergehen.
Auch aus den Konflikten mit der Konkurrenz, zuerst den Zeitungsverlegern, später auch mit den privaten Radio- und Fernsehveranstaltern, ging die SRG jeweils unbeschadet hervor. Ebenso schwächten die gesetzlichen Liberalisierungsschritte ab Anfang der 1980er Jahre den öffentlichen Rundfunk nicht. Das gebührenfinanzierte Radio und Fernsehen konnte seine starke Stellung in der Schweiz stets behaupten, ja sogar ausbauen.
Wie konnte es also dazu kommen, dass eine schweizerische Institution mit grosser Beliebtheit beim Publikum um ihre Existenz bangen muss? Es sind vor allem drei Triebkräfte, die zusammen das Potenzial haben, das bisherige Mediensystem aus den Angeln zu heben.
- Die Medienpolitik der letzten rund 40 Jahre (seit den ersten Liberalisierungsschritten Anfang der 1980er Jahre) trug massgeblich dazu bei, dass die SRG in eine für sie ungemütliche Lage geraten ist. Die vermeintlich schützende Hand, welche Politik und Verwaltung über die SRG zu legen meinten, verkehrte sich zunehmend in ihr Gegenteil. Mit günstiger Legiferierung und grosszügiger Regulierung schufen sie bei der SRG immer neue Angriffsflächen. So steht die schiere Anzahl an Sendern, Online-Plattformen und Apps in der Kritik. Ebenso die in Aussicht gestellte Erweiterung des Werbegeschäfts ins Internet oder auch jüngst der Zusammenschluss mit Swisscom und Ringier für die Werbeakquisition. Die Politik hat es mehrfach verpasst, die Interessen zwischen privaten Medienunternehmen und der SRG deutlich abzugrenzen.
- Mit dieser Entwicklung wurde auch die liberale Kritik an einer öffentlichen Medienfinanzierung wieder lauter, nachdem sie Ende der 1990er Jahre eine Baisse erlebt hatte. Die Akteure und Organisationen von damals bilden auch heute die treibenden Kräfte hinter der SRG-Kritik. So führt eine direkte Linie von der einstigen Schweizerischen Fernseh- und Radiovereinigung, besser bekannt als «Hofer-Club», über deren Nachfolgeorganisation «Medien-Forum» zur heutigen «Aktion Medienfreiheit», wo prominente SVP- und FDP-Exponentinnen und -Exponenten den Ton angeben. Ihre Positionen fallen in den Deputationen der beiden Parteien in den eidgenössischen Räten auf fruchtbaren Boden und bestimmen die medienpolitische Agenda mit.
- Der technologisch-ökonomische Wandel der Medienbranche verstärkt den Legitimationsdruck auf die öffentlich finanzierte SRG zusätzlich. Die einst klar abgegrenzten Interessenbereiche von Presse und Rundfunk kollidieren heute zwangsläufig im Internet und erzeugen dort die neue Konfliktlinie: Wenn es doch «alles gratis im Internet gibt», wieso soll man dann noch Gebühren für Radio und Fernsehen zahlen, fragen sich besonders jüngere Leute. Hier hat es die SRG verpasst, frühzeitig jene Generation für sich zu gewinnen, die mit kostenfreien Online-News aufgewachsen ist.
Die Ausgangslage für die SRG ist vor den anstehenden Debatten und Weichenstellungen nicht einfach. Es liegt massgeblich an ihr, das Vertrauen in ihren Service public zurückzugewinnen. Gleichzeitig bietet die offene Ausgangslage auch eine einmalige Chance, in einer demokratischen Gesellschaft über das gewünschte und gewollte Mediensystem befinden zu können.