Die Sprache gehört nicht den Politikern
Die Rechtschreibung der deutschen Sprache ist zu einer Baustelle geworden, an der Ideologen und Bürokraten herumwerkeln. Eine Tagung hat dazu diskutiert, ein Manifest wurde vorgestellt.
Seit der Schweizer Monat 2019 das Dossier «Die Macht der Sprache» veröffentlicht hat, ist die Sprache immer stärker in eine Kampfarena der Ideologie gezogen worden. Um Gruppen von Menschen sichtbarer zu machen und um sie gerechter zu behandeln, hat eine politisch korrekte Gendersprache Einzug gehalten in Schulen und Behörden. Dagegen regt sich nun in der Stadt Zürich Widerstand: Die Stimmbürger können am 24. November über eine Initiative abstimmen, ob sie die Stadtverwaltung zu einer klaren, verständlichen und lesbaren Sprache verpflichten wollen.
Auch darüber wurde diskutiert am 23. Oktober an der Tagung der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK) zu Rechtschreibung, Schlechtschreibung und Gerechtschreibung. Neben der informativen, von Claudia Wirz geleiteten Podiumsdiskussion mit Stargast Kathrin Kunkel-Razum, der Leiterin der Duden-Redaktion, war Schauspieler Robert Hunger-Bühler ein Highlight des Anlasses: Seine Wiedergabe eigener Haikus und weiterer Gedichte und Texte zeigte eindrücklich, welche Macht und Musik in der Sprache stecken. Zwei unterhaltsame Vorträge rundeten den Abend ab: Rudolf Wachter erklärte die Geschichte des Alphabets seit dem Anfang, und Stefan Stirnemann verglich die Rechtschreibereform mit einer alten Plastikflasche, die fast unbemerkt vergammelt.
Beschlossen wurde der Abend mit der Veröffentlichung eines Manifests: Es will die Hoheit über die Rechtschreibung, welche die Bildungspolitiker den Bürgern 1996 entrissen haben, wieder zurückholen, und zwar, indem die Gebote und Verbote der Reform aufgehoben werden, so dass der freie Wettbewerb über den Schreibbrauch entscheidet. Die Sprache – das blieb vom Anlass – gehört uns allen. (rg)