
Die Schweizer
Subventionsmaschine ist voller Widersprüche
Der Bund predigt Bohnen und subventioniert Fleisch. Dabei untergräbt er die eigenen offiziellen Ziele. Um diese zu erreichen, braucht es Kostenwahrheit.
Bund und Kantone geben jährlich 4 Milliarden Franken an Subventionen für Landwirtschaft und Ernährung aus. Neun von zehn Franken kommen vom Bund. Drei Viertel sind Direktzahlungen an die Bauern, ein Viertel weitere Subventionen wie Milchzulagen. Pro Betrieb sind das 80 000 Franken. Offiziell fördern die Direktzahlungen spezifische gemeinwirtschaftliche Leistungen. Nach meinen Analysen, die auch auf Studien des Bundes beruhen, zielt nur ein Viertel der Subventionen auf Leistungen für die Gesellschaft. Die anderen drei Viertel fördern Produktion und Absatz – bis hin zur Fleischwerbung, die der Bund zur Hälfte finanziert.1
Man muss viel wissen, um die Subventionstöpfe und Tabellen zu durchschauen. Viele Töpfe haben schöne Namen, aber nicht alle Namen sagen viel über ihren Inhalt aus. Beispielsweise gibt es im Agrarbericht des Bundes die Übersicht «Ausgaben des Bundes für Landwirtschaft und Ernährung». Darin findet sich der Eintrag «Tiergesundheit», der rund 50 Millionen Franken umfasst. Das sind Beiträge für die Entsorgung von Schlachtabfällen. Sie sind nicht unter den Ausgaben für «Produktion und Absatz» eingereiht, sondern unter «ausserhalb der Landwirtschaft». In der Detailtabelle sind «Entsorgungsbeiträge» aufgeführt, aber ohne weitere Angaben oder Aufschlüsselung.
Der Bund führt keine Statistik über die indirekten Subventionen für die Landwirtschaft. Die Umweltbelastungen durch Ammoniak, Treibhausgase, Pestizide und Nitrat, die sogenannten externen Kosten zulasten der Allgemeinheit, habe ich in einer Studie auf jährlich 3,5 Milliarden Franken geschätzt.2 Wenn man die externen Kosten und die Leistungen für die Gesellschaft einrechnet, ergibt sich für die Wertschöpfung eine rote Null.3 Den Grenzschutz beziffert die OECD auf 2,5 Milliarden Franken. Die Steuererleichterungen belaufen sich gemäss Avenir Suisse auf 0,5 Milliarden Franken.
Auch über die Subventionen für die Tierproduktion oder für Fleisch allein gibt es beim Bund keine Statistik. Meine Analysen ergeben, dass mehr als vier Fünftel der direkten Subventionen in die Tierproduktion fliessen. Auf Fleisch allein entfallen gut 1 Milliarde Franken direkte und gut 3 Milliarden Franken indirekte Subventionen durch externe Kosten und Grenzschutz. Die externen Kosten betreffen vor allem die Rinder, der Grenzschutz Rinder und Schweine.
Hohler Appell an die Eigenverantwortung
Was wie subventioniert wird, ist für mich am ehesten nachvollziehbar, wenn ich überlege, wie der Bund möglichst viel Geld zu den Produzenten und Händlern lenken kann, ohne in der Bevölkerung oder bei Handelspartnern für rote Köpfe zu sorgen. Ansätze dafür sind:
- Subventionen mit schönen Namen und unklarer Funktion
- Intransparenz durch traditionell definierte Indikatoren für Einkommen, Wertschöpfung oder Arbeitsproduktivität, die im Rahmen einer multifunktionalen Landwirtschaft nicht mehr interpretierbar sind
- «Reformen» und «Ziele» ohne entsprechende Massnahmen
- Verfolgen von Zielen gegen die Marktkräfte – mit Information und Appellen an die Eigenverantwortung
Der letzte Ansatz ist besonders aktuell. Beispiele sind Ernährungspyramiden, Nutri-Score und CO2-Etiketten. Die Bauernlobby setzt schon lange auf Eigenverantwortung nach dem Motto: «Viel wichtiger als dein Stimmzettel ist dein Kassenzettel!» Das ist natürlich ganz verkehrt, weil wir nur mit dem Stimmzettel den Markt regeln können. Die Forschungsanstalt Agroscope des Bundes hat diese Sicht trotzdem übernommen – als Titel und Thema für eine Nachhaltigkeitstagung im Januar 2023: «Gesunde und nachhaltige Ernährung: Wir stimmen 3x täglich ab.»
Im Mai hat der Nationalrat ein Postulat überwiesen, das den Bundesrat beauftragt, eine CO2-Etikette auf unverarbeiteten Lebensmitteln zu prüfen. Das wesentliche Problem beim CO2 ist allerdings nicht ein Mangel an Information, sondern es sind die externen Kosten. CO2-Etiketten für Lebensmittel schieben die Verantwortung auf die Konsumentinnen ab. Das bedeutet viel Aufwand für wenig Wirkung. Nützlich ist das Postulat aus einem anderen Grund: Informationen über CO2-Emissionen sind auch eine Voraussetzung für künftige wirksame Massnahmen. Wer das Verursacherprinzip nicht ganz von sich weisen will, kommt nicht darum herum.
Insgesamt widerspricht die Politik des Bundes in weiten Teilen den verkündeten Zielen. Milchbauern,…

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Dieser Artikel ist in Sonderpublikation 44 – September 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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