Die Schweiz braucht eine Triple-A-Armee
Thomas Süssli. Bild: Christian Beutler/Keystone.

Die Schweiz braucht eine Triple-A-Armee

Die Armee muss sich auf moderne Bedrohungen ausrichten – zentral dafür sind Alimentierung, Ausrüstung und Ausbildung. Um den Auftrag zu erfüllen, braucht es aber auch viel Herzblut.

Die Schweiz der Gegenwart ist ein Erfolgsmodell. Wir sind ein reiches Land, das Vermögen ist relativ fair verteilt, wir verfügen über ein funktionierendes Gesundheitswesen, ein gutes Schulsystem, die Steuern sind niedrig. Das ist kein Selbstlob, sondern wird uns auch von aussen attestiert – etwa von Ruchir Sharma, dem ­Autor des Buchs «The Rise and Fall of Nations» und damit einem ausgewiesenen Experten für internationale Vergleiche auf diesem Gebiet.

Treiber für den Aufstieg der Schweiz zur erfolgreichen Industrienation im 19. Jahrhundert waren Innovation, Handel und Infrastruktur. Auch Sicherheit in all ihren Dimensionen ist eine grundlegende Voraussetzung für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg: Die Schweiz ist ein sicheres Land – mit Rechtssicherheit, sozialer Sicherheit und einer hohen physischen Sicherheit. Der Sonderbundskrieg von 1847 war die letzte kriegerische Auseinandersetzung auf eigenem Boden. Seither ist es gelungen, auch militärische Bedrohungen von aussen abzuhalten. Unsere Milizarmee und damit auch der Wehrwille der Bevölkerung haben daran einen erheblichen Anteil. Die Generationen vor uns haben sehr vieles richtig gemacht. Dafür gebührt ihnen der Dank von uns allen.

Doch taugen die Erfolgsrezepte der Vergangenheit auch für die Zukunft? Nie zuvor in der Geschichte hat es so viele Veränderungen in so kurzer Zeit gegeben. Treiber sind die vier globalen Kräfte Urbanisierung, Demografie, Klimawandel und vierte industrielle Revolution. China ist es beispielsweise mit der Urbanisierung gelungen, innert nur einer Generation das Verhältnis von Armut zu Mittelstand, das 4:1 betrug, umzukehren. Bei der Demografie stehen das Bevölkerungswachstum und die Alterung im Vordergrund. Bis 2050 wird die Erdbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen ansteigen, die Zahl der 80-Jährigen hat sich seit 1990 weltweit verdoppelt. Auch in der Schweiz ist die Bevölkerung in den letzten Jahren aufgrund der Zuwanderung gewachsen, der Anteil der Berufstätigen nimmt aber alterungsbedingt ab. Damit geht die Wirtschaftsleistung tendenziell zurück, und es wird weniger Geld für öffentliche Aufgaben vorhanden sein – und damit auch für die Sicherheit. Beim Klimawandel ist für die Armee nicht die Frage relevant, wer ihn verursacht, sondern vielmehr, welche Folgen er mit sich bringt. Ereignisse wie Überschwemmungen und Erdrutsche dürften zunehmen, und es ist mit noch stärkeren Migrationswellen aus dem vom Klimawandel besonders betroffenen afrikanischen Kontinent zu rechnen.

«Nie zuvor in ­der ­Geschichte hat es so ­viele
Veränderungen in so ­kurzer Zeit ­gegeben.»

Auch die vierte industrielle Revolution mit der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz hat direkte Auswirkungen auf die Armee. Die US-Streitkräfte nutzen die Nähe zum Silicon Valley und stützen sich auf das dort vorhandene Know-how ab. Russland investiert grosse Summen in Waffentechnik und treibt die Entwicklung des sogenannten Sensor-to-Shooter-Loops voran, eines Prozesses, mit dem die Durchführung eines Angriffs dargestellt wird. Er bezieht sich auf Informationsverarbeitung, Entscheidungsfindung und die beteiligten Waffensysteme. Die Fähigkeit, die verschiedenen Phasen dieses Prozesses schnell zu durchlaufen, ist für moderne Armeen von entscheidender Bedeutung – von der taktischen bis zur strategischen Ebene. In China können die Streitkräfte fast unbegrenzt auf Daten zurückgreifen – die Datenschutzgesetze sind wenig ausgeprägt. In Europa und auch in der Schweiz steht hingegen die Frage im Zentrum, wie eine Einsatzdoktrin für künftige autonome Waffensysteme und künstliche Intelligenz unter Berücksichtigung internationaler ethischer Standards ausgestaltet werden kann.

Landesverteidigung bleibt Raison d’être

Die von den vier globalen Kräften angetriebenen Veränderungen beeinflussen auch die Bedrohungsformen. Moderne Bedrohungen lassen sich weniger eindeutig kategorisieren, denn heutige Konflikte folgen weniger als früher einem klassischen Eskalationsprozess. Vielmehr wird die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt. Das Muster besteht aus einem kombinierten Einsatz von nichtmilitärischen und militärischen Mitteln, Truppen kämpfen ohne Hoheitszeichen auf fremdem Territorium.

Genutzt werden dabei verschiedenste Mittel: biologische, chemische, auch improvisierte Systeme, bis hin zu komplexen Technologien wie zum Beispiel Drohnen oder Robotern. Begleitet werden diese Handlungen von politischem und wirtschaftlichem…