Die Religion kehrt im neuen
Gewand zurück
Der christliche Glaube entschwindet langsam aus dem Leben der Menschen. Rund um das Thema Klima stehen viele bereit, um als Inquisitoren Angst zu verbreiten und Kontrolle auszuüben.
Was haben Gott, Big Brother und CO2 gemeinsam? Allen drei wird Macht über unser Leben unterstellt. Die Macht bleibt dabei unkörperlich; man kann sie nicht sehen, nicht riechen, nicht schmecken, nicht hören und nicht spüren. Aber fürchten soll man sie!
Wer sich weigert, gottgefällig zu leben, wird in gewissen Gesellschaften noch heute mit Gewalt dazu gezwungen – was auch immer das gerade bedeuten mag. Im Namen der katholischen Kirche beispielsweise wurde gerädert, gevierteilt, gefoltert, um Menschen gottgefällig zu machen.
Ketzer war einst, wer von der offiziellen Kirchenlehre abwich, weil er die Existenz des christlichen Gottes bezweifelte oder die Inhalte der Bibel für irrelevant hielt. Heute ist Ketzer, wer mit seiner Meinung von dem, was «die Wissenschaft» genannt wird, abweicht oder die Gefährdung des Menschen durch den Klimawandel für übertrieben hält.
Gibt es einen Gott? Was passiert nach dem Tod? Bringt beten etwas? Schon Kinder interessieren jene Fragen am meisten, die nicht eindeutig zu beantworten sind. Niemand weiss die Antworten darauf, auch der Pfarrer nicht; immerhin kennt er die Bibel – und darin hat es Sprüche, Geschichten, Parabeln, welche die Kraft haben, einen mit dem Ungewissen zu versöhnen.
Einige, die beten, glauben, damit könnten sie Gott oder eine andere höhere Macht dazu bringen, nicht zu zürnen und ihnen gegenüber gnädig zu sein. Heute glauben viele, mit «Massnahmen zum Klimaschutz» den Klimawandel beeinflussen zu können und so die Natur gnädig zu stimmen.
Ob es die Natur ist, der Gott oder die Götter. Es geschehen einige Dinge im Universum, die grösser sind als der Mensch. Ob er es glaubt oder nicht: Sie geschehen mitunter auch ohne sein Einwirken. Auch die Unsicherheit, was die Zukunft betrifft, ist nicht aus der Welt zu schaffen.
Religion diente schon immer als Stütze, um sich moralisch verhalten zu können, war schon immer verbreitet. «Es gibt in der gesamten Geschichte vor unserer Zeit kein bedeutsames Beispiel für eine Gesellschaft, die ein moralisches Leben ohne die Hilfe der Religion aufrechterhalten konnte», schreiben die Historiker Will und Ariel Durant in ihrem Buch «Die Lehren der Geschichte». Und weiter: «Selbst ein skeptischer Historiker entwickelt Demut und Respekt vor Religion, da er erkennt, dass sie in jedem Land und in jedem Zeitalter funktioniert hat und anscheinend unentbehrlich war.»
Die Kirchen mögen leer sein, aber die Veranstaltungen, in denen gemeinsam Sinn geschaffen wird, sind gut besucht. Die Sehnsucht nach spirituellen Bedürfnissen und Erlebnissen versiegt nicht, und sie wird auch künftig in den verschiedensten Formen befriedigt werden. Das Zwiegespräch der Beichte mit dem Pfarrer oder der Austausch mit dem Psychoanalytiker wird abgelöst werden vom Austausch mit der personalisierten KI, die mit ihrem Rat weit überlegen sein wird aufgrund einer tiefergehenden Datenanalyse.
Je mehr wir wissen und je weniger wir glauben müssen, desto weniger werden sich Religionen behaupten können. Ob sie je an ein Ende kommen, ist jedoch völlig offen. Haben wir in den letzten Jahren nicht gesehen, wie insbesondere die Hochgebildeten bereit waren, andere auszugrenzen und zu beschimpfen, weil sie etwa ihren persönlichen Corona-Impfentscheid anders beantwortet haben als sie oder weil sie den CO2-Anstieg als wenig gefährlich einstuften? Der Frevel war es, dem Dogma «der Wissenschaft» nicht zu folgen, sondern selbst zu denken und zu handeln.
Die Aufklärung hat die Befreiung vom Zwang der katholischen Kirche ermöglicht. Doch mit der neuen Religion sind wir zurück bei der alten: Wieder soll es keinen Ausweg geben aus dem System, für niemanden. Sünder sein soll jeder, der mit seiner Atemluft CO2 oder Coronaviren ausstösst. Befreien von seiner Schuld, zu leben und zu atmen, soll er sich nur durch den Kauf von Zertifikaten oder über die Zahlung einer CO2-Steuer können.
Wer atmet, soll zahlen. Kann man die Kosten für die Mehrwertsteuer, die Einkommenssteuer und die Vermögenssteuer senken, indem man wenig kauft, verdient oder besitzt, ist der Besteuerung der Luft nur zu entgehen, indem man augenblicklich aufhört zu atmen und stirbt. Weil das niemand will, finden all die sündigen Büsser, die der katholischen Kirche abhandengekommen sind, zurück in den Steuerzwangsstaat.
Zurück ist natürlich auch die katholische Doppelmoral: Klimaaktivist Max Voegtli klebt sich auf die Strasse, um Autos daran zu hindern, CO2 auszustossen, fliegt dann aber mit dem Flugzeug nach Mexiko in den Urlaub. Der «Tages-Anzeiger» zitierte ihn mit den Worten: «Lieber ein bisschen ein Heuchler als untätig.»1
Nochmals Will und Ariel Durant: «Himmel und Utopie sind wie zwei Eimer in einem Brunnen: Sinkt das eine, steigt das andere auf; schwindet die Religion, wächst der Kommunismus.»
Auf die Frage der WOZ: «Wie halten wir die Klimakrise auf?», antwortete die Klimaaktivistin Carola Rackete: «Durch radikale Umverteilung von Eigentum.»2 Die ehrliche Antwort ist Programm: Die eifrigsten Anhänger von radikalen Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Banner des Kampfs gegen den CO2-Anstieg sind allesamt überzeugte Anhänger des Sozialismus. Sie verbreiten heute, so schrieb die «NZZ am Sonntag», «eine Art Erlösungsglauben, nicht viel anders als Prediger, die das baldige Ende der Welt verkünden».3