
Die radikal neue Art des Rechnens
Quantencomputer denken nicht linear, sondern berechnen verschiedene mögliche Lösungen simultan. Wir erklären die Grundbegriffe.
Quantum 2025 – 100 Jahre sind erst der Anfang …
Das Jahr 2025 steht ganz im Zeichen des 100-Jahr-Jubiläums der Quantenwissenschaft. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten Physiker, unter ihnen Max Planck, die Quantenwelt. Die Gesetze, die in der Welt der kleinen Teilchen und Atome gelten, entpuppten sich als grundlegend anders als in der uns bekannten makroskopischen Welt. Dies führte zu Erstaunen und Diskussionen, und ein Albert Einstein konnte sich mit diesen seltsamen Phänomenen nicht recht anfreunden.
Erst die Quantenmechanik – entwickelt von Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und anderen – lieferte eine geschlossene Theorie, mit der sich die beobachteten Phänomene beschreiben liessen. Die Formulierung der Quantenmechanik im Jahr 1925 hat eine bleibende Grundlage für unser physikalisches Verständnis der Natur gelegt. Was vor 100 Jahren als Theorie begann, führte zu Entdeckungen wie dem Laser, der hochpräzisen Atomuhr, zu GPS-Systemen und ist heute die Grundlage für eine weitere Revolution durch eine radikal neue Technologie – den Quantencomputer.
«Die Formulierung der Quantenmechanik im Jahr 1925 hat eine bleibende Grundlage für unser physikalisches Verständnis der Natur gelegt. »
Was sind «Quanten»?
Der Begriff «Quant» beschreibt in der Physik den kleinstmöglichen Wert einer physikalischen Grösse. Diese kleinste Stückelung kann nicht geteilt werden, ein Quantum kann nur als Ganzes erzeugt oder vernichtet werden. In der Welt der Quanten gelten Gesetze, die unserer Alltagserfahrung widersprechen. Sie geben dem Quantencomputer ihren Namen.
Wie funktionieren Quantencomputer?
Quantencomputer arbeiten fundamental anders als klassische digitale Rechner. Sie nutzen die Gesetze der Quantenmechanik, um Informationen zu verarbeiten, und bieten damit Möglichkeiten, komplexe Probleme zu lösen, die für die leistungsstärksten klassischen Computer von heute unlösbar sind und auch in Zukunft mit diesen nicht gelöst werden können. Klassische Computer kodieren und verarbeiten Informationen in Form von Bits und den binären Ziffernfolgen 1 oder 0 (vgl. «Qubits versus Bits – Kopf oder Zahl?» auf Seite XX). Quantencomputer hingegen verwenden sogenannte Quantenbits, abgekürzt Qubits, als Informationseinheit. Diese können die aussergewöhnlichen Eigenschaften der Quantenphysik ausnutzen und gleichzeitig im Zustand 0 und 1 sein – oder auch in theoretisch unendlich vielen Zuständen dazwischen. Dieses Phänomen wird als Superposition oder Überlagerung bezeichnet. Qubits können auch miteinander verschränkt werden oder interferieren. Auf diese Weise kann eine Veränderung an einem Qubit auch alle anderen Qubits beeinflussen. Albert Einstein sprach deshalb von einer «spukhaften Fernwirkung». Die Kombination der drei Quantenphänomene Superposition, Verschränkung und Interferenz führt dazu, dass sich die Rechenleistung eines Quantencomputers im Idealfall verdoppelt, wenn man die Anzahl der Qubits um eins erhöht. Diese exponentielle Zunahme der Leistungsfähigkeit im Vergleich zu klassischen Rechnern, deren Leistung nur linear mit der Anzahl der Bits ansteigt, erzeugt die Superkraft von Quantenrechnern.

Qubits werden durch Manipulation und Messung von Quantenteilchen (den kleinsten bekannten Bausteinen des physikalischen Universums) wie Photonen, Elektronen, Ionen und Atomen erzeugt. Auch Systeme, die sich wie ein Quantenteilchen verhalten, wie etwa supraleitende Schaltkreise, können als Qubits verwendet werden. Generell ist die Quanteninformation äusserst sensitiv und kann bei geringster Störung zerfallen. Aus diesem Grund funktionieren Quantenprozessoren nur bei extrem tiefen Temperaturen und müssen auch vor anderen Störungen wie Licht geschützt werden. Quantenrechner sind vollkommen anders aufgebaut und sehen auch anders aus als klassische Rechner.
«Generell ist die Quanteninformation äusserst sensitiv und kann bei
geringster Störung zerfallen.»
Peter Shor
Der amerikanische Mathematiker und Informatiker Peter Shor entwickelte 1994 den nach ihm benannten Shor-Algorithmus und zeigte damit theoretisch den Vorteil von Quantenrechnern auf. Er zeigte auf, wie Quantencomputer Realität werden könnten. Obwohl theoretisch gezeigt und bewiesen ist der Algorithmus auf heutigen Rechnern noch nicht anwendbar. Shor wies auch als einer der ersten auf die Risiken für die Verschlüsselung von Daten hin.
Warum brauchen wir Quantencomputer?
Quantencomputer läuten einen Paradigmenwechsel ein. Sie werden den klassischen Rechner in absehbarer Zeit aber nicht ersetzen. Es gibt Probleme, die herkömmliche Computer nicht lösen können, egal wie leistungsfähig sie sind, jedoch mit Quantencomputer lösbar sind. Beispiele solch komplexer Rechnungen sind Probleme mit vielen Variablen, die auf komplizierte Weise interagieren.
«Quantencomputer läuten einen Paradigmenwechsel ein. Sie werden den klassischen Rechner in absehbarer Zeit aber nicht ersetzen.»
So ist beispielsweise die Modellierung des Verhaltens einzelner Atome in einem Molekül ein komplexes Problem, weil alle Elektronen des Molekülsystems miteinander wechselwirken. Kein Computer hat einen Arbeitsspeicher, der gross genug ist, um alle möglichen Vertauschungen des molekularen Verhaltens mit den bekannten Methoden zu verarbeiten. Bereits die exakte Berechnung der Eigenschaften von Molekülen mit nur wenigen Elektronen ist mit einem klassischen Rechner nicht machbar, während das für zukünftige Quantenrechner möglich sein wird.
Quantenalgorithmen verfolgen einen neuen Ansatz für diese Art von komplexen Problemen. Da sich Qubits wie Atome verhalten und deshalb auch künstliche Atome genannt werden, kann das Verhalten von Molekülen auf Qubits abgebildet werden. Auf diese Weise lassen sich chemische Simulationen sehr viel effizienter lösen. Neben der Simulation von Molekülen und Materialien sind Optimierungsprobleme, Datenbanksuche und maschinelles Lernen weitere komplexe Aufgaben, die von Quantencomputern potentiell besser gelöst werden können.
Ein weiteres Beispiel einer komplexen Aufgabe ist die Faktorisierung einer grossen Zahl. Während die Multiplikation sehr einfach für einen klassischen Rechner ist, ist die Zerlegung in nichttriviale Teiler (Beispiel: 91 = 13*7) insbesondere für grosse Zahlen eine sehr komplexe Aufgabe; die Rechenzeit auf einem klassischen Rechner nimmt mit der Grösse der Zahl exponentiell zu.
Mögliche Anwendungen
Der Quantencomputer könnte der Schlüssel zu bahnbrechenden Fortschritten in zahlreichen wichtigen Branchen sein, wie der Automobilindustrie, in der Luft- und Raumfahrt, Energie, Umwelt, Infrastruktur und auch bei Finanzdienstleistungen. Es gibt zahllose Beispiele, die von der Entwicklung neuer Medikamente und fortgeschrittener maschineller Lerntechniken über die Optimierung von Lieferketten bis hin zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels reichen.
Eine Anwendung wäre auch die Optimierung von allgemeinen Logistikproblemen und Transportwegen. Mit zahllosen Schiffen, die auf den Weltmeeren unterwegs sind, um Waren zu transportieren, stellt der globale Transport von verschiedenen Produkten eine komplexe Herausforderung dar, die von einer Quantenlösung stark profitieren könnte. Wenn wir dieses komplizierte Optimierungsproblem mit grösserer Präzision lösen, könnten wir erhebliche Energieeinsparungen erzielen.
Völlig neue Möglichkeiten werden sich auch im Bereich der Chemie, Materialwissenschaft und der Medizin ergeben. So könnte die Erforschung und Entwicklung von neuen Wirkstoffen für Arzneimittel und medizinische Behandlungen durch schnellere und präzisere Simulationen des molekularen Verhaltens und biochemischer Reaktionen dramatisch beschleunigt werden – ein Fortschritt, der weit über das derzeit Erreichbare hinausginge. Auch im Bereich der Batterieforschung und neuer Materialien in der Halbleiterindustrie sowie der Entwicklung von verbesserten Katalysatoren, die zu effizienteren Verfahren für den Abbau klimaschädlicher Emissionen notwendig sind, ist man schon aktiv.
Ein Mehrwert kann sich ebenfalls im Finanzdienstleistungssektor ergeben, insbesondere durch die Integration von Quantencomputing und künstlicher Intelligenz (KI). Diese Kombination könnte künftig eine schnellere und genauere Entscheidungsfindung ermöglichen. Optimierungsaufgaben in Bereichen wie Risikomanagement, Portfoliostrategien, Margen, Kreditvolumen, Transaktionen, Wertpapierabwicklung und Haftungsmanagement sind derzeit durch die Rechenleistung klassischer Computer und die für die Lösung dieser Probleme zur Verfügung stehende Zeit eingeschränkt.
Wie misst man die Leistung?
Um eine schnelle Technologieentwicklung zu gewährleisten, ist es wichtig, eine Kennzahl für die Rechenleistung eines Quantencomputers festzulegen. Die Leistung eines Quantencomputers wird durch drei Schlüsselfaktoren bestimmt: die Anzahl der Qubits, die Qualität der Qubits und die Geschwindigkeit. Alle drei zusammen sind für die Nützlichkeit des Quantencomputers entscheidend.
Der Stand der Entwicklung
In den letzten zehn Jahren haben Quantencomputer bemerkenswerte Fortschritte gemacht, doch sind noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Die derzeit verfügbaren Quantencomputer sind noch nicht so ausgereift, dass sie in der Produktion für gross angelegte, industriell relevante Probleme eingesetzt werden können – aber mit zunehmender Leistungsfähigkeit werden sukzessiv bestimmte Anwendungen real werden.
Führende internationale Unternehmen wie IBM und Google, aber auch innovative Start-ups, nationale Forschungseinrichtungen und Universitäten treiben die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet schnell und kontinuierlich voran. Ein Meilenstein wurde 2016 gelegt, als IBM den weltweit ersten Quantenprozessor mit fünf Qubits in der Cloud zur Verfügung stellte, woraufhin sich innerhalb von zwei Wochen fast 25 000 Nutzer für den Zugriff auf den Quantencomputer registrierten. Dieser Durchbruch löste eine weltweite Beschleunigung der Forschung und Entwicklung aus, die mit erheblichen Verbesserungen bei der Rechenleistung und der Skalierung von Quantencomputern einherging.

Die Anzahl der Qubits – integriert in einem supraleitenden Quantenprozessor – wurde stetig von fünf in 2016 auf über 100 Qubits im IBM-Eagle-Prozessor in 2021 und auf über 1000 Qubits im Jahr 2023 erhöht. Mit dem sogenannten Condor Chip mit 1121 Qubits, integriert in einem Quantenprozessor, brach IBM die 1000-Qubit-Barriere zum ersten Mal, was die Grenzen von Skalierung und Ausbeute in der Fabrikation von Qubits erfolgreich verschob. Um darüber hinaus die Zahl der Qubits in einem System zu skalieren, wird ein modularer Ansatz verfolgt. Hierbei werden mehrere Quantenprozessoren (QPU) mittels spezieller Quantenverbindungen gekoppelt, die eine ungestörte Übertragung der Quanteninformation erlauben. Erste Ergebnisse, die mehrere 156-Qubit-IBM-Heron-Prozessoren quantenmechanisch miteinander verbinden, wurden bereits Ende letzten Jahres erfolgreich gezeigt.
Qualität und Fehlerkorrektur
Die Qualität der Qubits wurde über die letzten Jahre enorm verbessert. Fehler, welche die Quantenrechnung stören und die Leistungsfähigkeit limitieren, konnten stark reduziert werden. Die Fehlerkorrektur ist bei Quantenrechnern äusserst kompliziert und aufwendig, denn Qubits können nicht kopiert werden. Deshalb braucht man, je nach Fehlerrate, sehr viele physikalische Qubits, um ein einziges fehlerkorrigiertes sogenannt «logisches Qubit» herzustellen. Mit fehlerkorrigierten Qubits kann man dann einen universellen, fehlertoleranten Quantencomputer bauen. Auch hier wurden Fortschritte erzielt: Mit einem neuen Fehlerkorrekturalgorithmus konnte die Anzahl der notwendigen physikalischen Qubits für ein logisches Qubit um 90 Prozent reduziert werden. Resultierend daraus kann die praktische Umsetzung der Fehlerkorrektur etwa 10 Jahre früher stattfinden. Diese Schritte sind entscheidend, um komplexe Aufgaben auf grossen Quantencomputern in Zukunft skalierbar lösen zu können.
Durchbruch dank «Quanten-Vorteil»?
Experten sprechen beim angestrebten Durchbruch vom sogenannten «Quanten-Vorteil». Dieser ist dann erreicht, wenn der Quantenrechner ein Problem löst, das einen signifikanten, praktischen und wirtschaftlichen Vorteil bietet, und er dies schneller, genauer oder mit weniger Energieverbrauch tut als alle bekannten Alternativen. Forscher erwarten, dass dies innerhalb der nächsten zwei Jahre der Fall sein wird. Durch eine weitere Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Hardware, der Software und der Algorithmen ergibt sich dann schrittweise eine wachsende Sammlung von Problemen mit «Quanten-Vorteil».
Die vor einigen Jahren erwarteten Zeitskalen haben sich massiv verkürzt und viele Unternehmen haben fehlerkorrigierte Quantencomputer mit über 100 logischen Qubits noch vor Ende des Jahrzehnts auf ihrer Roadmap. Dazu gehört auch die enge Integration zwischen skalierbaren Quanten- und klassischen Rechenressourcen, um ein effizientes und synergistisches Miteinander zu ermöglichen und somit die Zukunft des Computings zu gestalten.
Qubits versus Bits – Kopf oder Zahl?
In klassischen digitalen Rechnern ist das Bit die binäre Einheit der Information und kann entweder 0 oder 1 sein. Als Bausteine werden Transistoren verwendet, die entweder ein- oder ausschalten, um Daten als Einsen oder Nullen zu symbolisieren. Quantencomputer hingegen arbeiten mit Quantenbits, kurz genannt «Qubits», als Einheit der Quanteninformation. Wie ein Bit in einem klassischen Computer kann ein Qubit entweder im Zustand 1 oder 0 sein. Interessant wird es aber, wenn das Qubit seine besondere Eigenschaft aufgrund der Natur der Quantenphysik ausspielt, die das klassische Bit nicht hat: Ein Qubit kann nämlich auch gleichzeitig im Zustand 1 und 0 sein. Man nennt diesen Zustand auch Superposition oder Überlagerung.
Man kann sich den Zustand mit einer Münze veranschaulichen: Soll die Münze ein klassisches Bit darstellen, kann man sie entweder mit Kopf oder Zahl nach oben legen, das wäre eine 0 oder eine 1. Ein Qubit wäre dagegen eine in die Luft geworfene Münze, die sich schnell um sich selbst dreht. Bei ihr kann man nicht sagen, ob Kopf oder Zahl oben ist, sie ist in beiden Zuständen gleichzeitig.